Endlich nette Nachbarn! Teil 2

(Teil 1 = Blog: 68 vom 04. Mai 2015)

Und auch Teil zwei könnte genauso gut wieder heißen: Wie aus zwei unbescholtenen Bürgern echte Spanner wurden.

Seit ein paar Jahren nun schon steht ein Storchennest, eine sogenannte Nisthilfe, keine 100 Meter von unserem Haus entfernt. Letztes Jahr kam dann zwar ein Storchenpaar vorbei, nach nur wenigen Tagen entschied es sich aber doch dazu weiterzuziehen. Dieses Jahr nun hatten wir mehr Glück! Seit gut drei Wochen ist das Nest belegt und Theos und meine Augen zieren erneut kreisrunde Ränder — Abdrücke vom Fernglas!

blog 106-4

Ob wir wollen oder nicht, jedes Mal wenn wir an einem Fenster vorbeikommen, schauen wir unwillkürlich hinaus und gucken, was die Störche gerade so treiben. Treiben ist gut, denn in den ersten Tagen, nach ihrem Einzug, haben sie es wirklich oft getrieben. Dabei stehen Störche in der Mythologie für sexuelle Frustration — da frage ich mich wirklich, wer sich das bedacht hat! Aber der Mythos besagt ja auch, dass eine Frau schwanger wird, wenn der Storch sie ins Bein gebissen hat oder das Störche Babys rauben, um sie dann einfach bei anderen Leuten auf der Fensterbank abzulegen.

blog 106-8

Gleich nach ihrem Einzug, haben die neuen Bewohner dann auch erst einmal alles wieder neu möbliert. Wie ich schon im Blog von letzter Woche (Penthaus mit Rheinblick — günstig zu vermieten) schrieb, hatte sich in den vergangenen Monaten so einiges an illegalen Hausbesetzern in dem Storchennest breit gemacht und zum Teil darin gehaust wie die Vandalen. Bei der Auswahl der Möbel legte das neue Storchenpaar besonders viel Wert auf die Wahl des Betts. Mehrmals konnte ich jedenfalls beobachten, wie die neue Hausdame eine gerade frisch herbeigeschaffte Matratze, aus frischem Gras und Moos, einfach so wieder hinauswarf! Allem Anschein nach war es doch nicht bequem genug. Nach langem hin und her, machte sie sich dann schließlich noch mal alleine auf die Suche nach etwas Passendem und war anschließend noch mal einen halben Tag lag damit zugange, den richtigen Platz für alles zu finden und die Kissen neu zu ordnen. Zwischendurch ging sie immer mal wieder Probeliegen, nur, um dann wieder etwas zu verändern — so lange, bis das endlich alles nach Wunsch war. Seitdem  verbringt sie sehr viel Zeit in ihrem Storchenbett, während er viel unterwegs ist.

blog 106-7

Manchmal jedoch, wenn es der Dame des Hauses langweilig wird, fängt sie an nach ihm zu rufen. Letzte Woche kam ich gerade mit Øsel von seinem morgendlichen Spaziergang, als sie wieder im Nest stand und ohne Unterlass nach ihrem Gatten rief. Als er dann endlich auftauchte, hatte er aber noch so gar keine Lust, sich sogleich zu ihr ins Nest zu gesellen. Er liebt nämlich das Skydiving und hier herrscht meistens auch das perfekte Wetter — oder zumindest der perfekte Wind — dafür! Sie hat für dieses Hobby allerdings überhaupt kein Verständnis und wenn er nicht spurt, klappert sie mit ihrem langen Schnabel was das Zeug hält! Zur Wiedergutmachung führte er sie dann abends allerdings schick aus essen. Ich glaube, es gab Froschschenkel, garniert mit Regenwürmern.

blog 106-6

Am nächsten Tag konnte ich zudem beobachten, wie er ihr mit seinem langen Schnabel eine sanfte Kopfmassage verpasste. Theo der ebenfalls guckte, was die Störche gerade so machen, meinte jedoch, dass er ihr wohl eher die Flöhe vom Kopf fressen würde. (Männer müssen auch immer so unromantisch sein!) Jedenfalls unterstützen die beiden sich auch gerne bei der Körperpflege und helfen einander an den Stellen, wo der andere nicht hinkommt. Und die Beiden schnäbeln auch sehr viel. Es ist wohl so eine Art Küssen unter Störchen, woraus Theo schon Schlussfolgerte, dass die beiden noch nicht so lange zusammen sein können. Da hat er wohl recht — jedenfalls, wann sieht man schon mal ein altes Ehepaar, dass noch innig und ausgiebig knutscht?! Obwohl — wenn ich so daran denke, woraus die Leibspeise unserer neuen Nachbarn besteht, frage ich mich schon was schlimmer ist: ein Atem der nach Knoblauch oder Nikotin riecht oder der Geruch nach Fisch und Kröten?

blog 106-5

Offenkundig sind die beiden sehr verliebt und er kümmert sich rührend um sie — jedenfalls wenn nicht gerade die Sonne scheint und ein frischer Wind weht, dann geht er lieber seinem Hobby dem Skydiving nach. Aber ansonsten liest er seiner Gemahlin so ziemlich jeden Wunsch von den Augen ab und verwöhnt sie, wo er nur kann. Sei es mit kleinen Leckereien, die er für sie mitbringt und mit denen er sie dann füttert oder die Art und Weise, wie er mit ihr zusammen jedes Mal den Sonnenuntergang beobachtet. Oft schickt sie ihn auch runter zum Imbiss, das ist die angrenzende Wiese, wo er ihr noch schnell einen dicken Käfer fangen muss, wenn sie mal wieder der Heißhunger plagt. Dabei steht sie dann oben auf dem Nest und beobachtet mit Argusaugen, was er unten auf der Wiese treibt. Manchmal klappert sie dann auch wieder, wenn es ihr zu lange dauert oder er einfach nicht den richtigen Käfer fängt. Ja, die Gute kann auch ganz schön zickig werden. Einmal flogen zwei ahnungslose Tauben etwas zu nahe an dem Storchennest vorbei und die Gute wurde gleich fuchsteufelswild und zischte und schlug wie wild mit den Flügeln.

Am vergangenen Sonntag war dann der erste wirklich schöne Tag, seit der Ankunft der Störche. Es regnete nicht, der Wind blies ausnahmsweise auch mal nicht mit Orkanstärke und selbst die Temperaturen stiegen — oh Wunder — bis auf 20 Grad! Während der ersten beiden Wochen, nachdem das Storchenpaar einzogen war, hatten wir nämlich richtiges Weltuntergangswetter: Dauerregen, Eiseskälte und orkanartige Winde. Zugegeben, Herr Storch, als ausgesprochener Skydiver liebt diese Winde. Aber ich habe nachts doch schon mal wach gelegen und an die arme Maus da oben in ihrem Nest gedacht! Sobald es dann morgens hell wurde, habe ich als erstes aus dem Fenster geschaut, um mich davon zu überzeugen, dass es ihr noch gut geht. Manchmal frage ich mich ja wirklich, was diese Störche überhaupt dazu verleitet, ausgerechnet hier am Niederrhein den Sommer verbringen zu wollen und ihre Kinder zu gebären! Das Wetter ist im Allgemeinen eine Katastrophe, die Felder sind überdüngt und viele Anwohner sehen in den Störchen auch nur eine ähnliche Plage wie in den Wildgänsen. Einige behaupten sogar steif und fest, dass Störche auch Wildkaninchen fangen und verantwortlich für den starken Rückgang der selbigen sind. Sie sagen, man sollte die Störche abknallen, so wie man es hier auch gerne mit den Wildgänsen, Rebhühnern und ja, auch mit den Wildkaninchen tut! Ob das erlaubt ist oder nicht, interessiert den echten Niederrheiner dabei auch nicht. Illegales jagen gilt hier genauso wie grobe Umweltverschmutzung als Kavaliersdelikt.

blog 106-2

Ich für meinen Teil bin jedenfalls überzeugt, dass der Winter in Afrika immer noch tausendmal besser sein muss, als der Sommer am Niederrhein! Trotzdem kommen die Störche hierher. Gut, als Zugvögel haben sie wahrscheinlich gar keine andere Wahl als den afrikanischen Winter wo anders zu verbringen, aber es gibt doch so viele schönere Gegenden: Südfrankreich oder Italien zum Beispiel!

blog 106-1

Ausgerechnet am Sonntag, dem ersten schönen Tag hier, hat Herr Storch seine Frau dann auch noch versetzt! Seit früh am Morgen stand sie auf dem Nest und hielt nach ihm Ausschau. Ab und zu klapperte sie auch ganz laut, doch er blieb unauffindbar! Selbst ich machte mir schon Sorgen — nicht dass dem Draufgänger etwas passiert war! Anscheinend gibt es nämlich auch noch einen Nebenbuhler! Jedenfalls habe ich mir das sagen lassen. Es scheint, als ob ein anderer Storch dem Skydiver seine Frau abspenstig machen wollte. Ich persönlich habe den Nebenbuhler zwar noch nicht gesehen, aber Theo und ein Bekannter schon. Gestern dann, am Montag, war der Skydiver immer noch nicht zurück und meine Sorge wuchs. Ich musste dabei auch wieder an das denken, was ein Bekannter mir gesagt hatte, dass einige der Einheimischen die Störche auch nur als Plage ansehen. Theo meinte dann am Abend zwar, dass er ihn noch zusammen mit ihr auf dem Nest gesehen hätte, aber Theo kann nun mal nicht lügen ohne rot zu werden.

blog 106-10

Sobald es heute Morgen dann hell genug war, schaute ich wieder aus dem Fenster. Frau Storch saß immer noch alleine auf dem Nest und ich überlegte schon, ob ich vielleicht mal den NaBu anrufen sollte. Vielleicht hatte man ja einen verletzten Storch gefunden? Doch dann, als ich später aus dem Badezimmer kam, war er plötzlich wieder da! Keine Ahnung, wo er die vergangenen zwei Tage gesteckt hatte. Jedenfalls ist Frau Storch allem Anschein nach ebenfalls heilfroh, dass ihr Mann wieder da ist, denn sie rieb danach ständig ihren Kopf an seiner Brust. Ich weiß, jetzt vermenschliche ich die Störche zu sehr. Trotzdem bin ich sicher, dass sich die süße Maus da oben in ihrem Nest, die letzten beiden Tage richtig viele Sorgen um ihren Mann gemacht hat und ich dies gespürt habe. Und ich denke, es ist auch nicht normal, dass ein Storchenmann mal eben so für 48 Stunden verschwindet. Wenn diesen Blog allerdings jemand liest, der mehr Ahnung über das Verhalten von Weißstörchen hat, so lasse ich mich auch gerne eines Besseren belehren.

blog 106-3

Im Übrigen haben wir keine anderthalb Kilometer von hier entfernt noch ein Storchennest, das ebenfalls belegt ist. Nun hoffe ich, dass beide Paare hier genügend Futter finden werden und auch ihre Jungen später eine Chance haben zu überleben. Das andere Nest war nämlich letztes Jahr anscheinend auch belegt gewesen, doch alle drei Jungen starben, wohl, weil es nicht genügend Futter für sie gab. Insgesamt gibt es hier in einem Radius von nur 5 Kilometern vier sogenannte Nisthilfen für Störche, von denen aber nur zwei belegt sind. Jetzt frage ich mich natürlich auch, ob es überhaupt sinnvoll ist, so viele dieser Nisthilfen auf so engem Raum aufzustellen und wer dies überhaupt entscheidet. Vielleicht sollte man also auch mal darüber nachdenken, wo das Aufstellen dieser Nisthilfen wirklich sinnvoll ist und wo nicht. Aber Nachdenken gehört auch nicht eben zu den Stärken der hiesigen Bevölkerung. Für die einen ist es zurzeit einfach schick, sich eine solche Nisthilfe in den Garten zu stellen und für die anderen sind Störche eine Plage.

blog 106-9

Noch sind die Felder zwar nicht bestellt und auf den umliegenden Wiesen und Weiden finden die Störche jetzt auch bestimmt genug Nahrung. Allerdings werden viele Wiesen, und auch die Weiden, gerade wieder mit Gülle gedüngt und es ist kein Geheimnis, dass dabei immer viel zu viel Gülle ausgefahren wird, weil die Bauern einfach nicht mehr wissen, wohin mit ihrer Kuhscheiße. Das heißt für die Störche, sie werden demnächst auf der Futtersuche entweder knietief durch die Scheiße waten und wohl mit Fröschen und Käfern vorlieb nehmen müssen, denen man, im wahrsten Sinne des Wortes, auf den Kopf geschissen hat — oder sie werden sich andere Jagdreviere suchen müssen, die weiter entfernt liegen.

Ich wünschte mir wirklich, der Niederrheiner ginge etwas rücksichtsvoller mit seiner Umwelt und den Tieren darin um. Mag sein, dass das in anderen Regionen Deutschlands genauso ein Missstand ist und dass auch dort die Ämter einfach über Verstöße hinwegsehen, aber das kann ich nicht beurteilen. Ich selbst komme von der Ahr und auch bei uns gab es viel Landwirtschaft, trotzdem kann ich mich nicht erinnern, dass Hausabfall einfach so irgendwo achtlos entsorgt wurde, dafür hatten wir eine braune Mülltonne — die gibt es hier zwar auch, nur dass sie niemand hat! Auch die Felder wurden bei uns natürlich gedüngt, allerdings nicht bis dass man nur noch braune Soße sah und es ballerte auch niemand mit dem Gewehr auf Hasen und Vögel. Dafür hatte unser Dorf einen Förster und der achtete auch darauf, dass es der Natur gutging und Spaziergänger sowie Anwohner sich an Gesetze hielten.

Wir freuen uns jedenfalls auf den Nachwuchs und notfalls werden wir in unserem Garten dann eben eine Kröten- und Käfer- und Mäusezucht aufmachen, damit unsere netten Nachbarn auch auf jeden Fall genug zu essen haben, für sich und ihre Kinder. Also werde ich auch weiterhin über die Störche berichten. Die ganze Geschichte gibt es zudem hier:

Endlich nette Nachbarn Teil 1: Blog 68 vom 04. Mai 2015

Penthouse mit Rheinblick günstig zu vermieten: Blog 105 vom 29. April 2016

Außerdem habe ich noch eine sehr interessante Webseite gefunden, auf der ebenfalls ausführlich über das Leben der Weißstörche berichtet wird — zusammen mit vielen Fotos: http://www.brodowski-fotografie.de/beobachtungen/weissstorch.html

Und wenn Ihnen dieser Blog gefallen hat, so empfehlen Sie mich bitte weiter – nur an eine einzige Person, das würde schon reichen!

Bildmaterial:
Titelfoto & Post (Blog) Fotos: Copyright by Kristine Weitzels

 

Leave a Comment