Vor ein paar Tagen erreichte mich die E-mail einer ehemaligen Klientin. Sie hatte eine Frage zu etwas das ich über systemische Verbindungen geschrieben habe. Ich persönlich glaube, dass den meisten Problemen eher systemische Ursachen zugrunde liegen, als karmische. Diese ehemalige Klientin stelle mir folgende Frage: Wenn das meiste systemisch ist, was ist dann karmisch? Ich habe ihr meine Sichtweise anhand eines Beispiels erklärt — aber bevor ich dazu komme, möchte ich zuerst ein wenig weiter ausholen.
Meiner Ansicht nach gibt es viele Ebenen. Neben der systemischen Ebene, dies ist die Ebene auf der wir mit unserer Herkunftsfamilie, unseren Eltern, Geschwistern und Ahnen verbunden sind, gibt es auch noch unzählige andere Ebenen die uns beeinflussen. Z.B. eine karmische Ebene, die all unsere früheren Inkarnationen umfasst. Eine geistige Ebene, wobei ich mir noch nicht so ganz sicher bin, was diese Ebene alles umfasst — außer die Perioden in denen unsere Seele frei und ohne physischen Körper existiert und vielleicht den 7. Sinn. Eine rein materielle Ebene, das ist die auf der wir uns im inkarnierten Zustand wahrnehmen. Eine kulturelle Ebene, die oft stark verbunden ist mit der geografischen Ebene. Und es gibt noch viele andere Ebenen, die aber in der Regel keinen so starken Einfluss auf uns haben. Ich benutze den Ausdruck Ebenen, weil sich einige „Ebenen“ überlappen, andere scheinen höher oder tiefer zu liegen — aber das möchte ich hier auch nicht weiter ausführen, weil das sehr verwirrend werden könnte. Ausführlich schreibe ich darüber allerdings in meinem Buch „Schicksal mag Bestimmung sein – aber…“.
Lange Rede kurzer Sinn: Jedenfalls bin ich für meinen Teil der festen Überzeugung, dass wir hauptsächlich durch unsere systemische Ebene, die materielle und die kulturelle/geografische Ebene geprägt werden — und somit auch die meisten unserer Probleme darin ihren Ursprung haben. Der Begriff Karma ist mir zudem auch zu abgewetzt. Jeder der im esoterischen Bereich eine schnelle Mark verdienen will, setzt auf das Schlagwort Karma. Karma ist wie ADHS oder Burn Out! Wenn der Kinderpsychologe nicht mehr weiter weiß, heißt es, das Kind hat ADHS. Wenn der Psychotherapeut nicht mehr weiter weiß, heißt es, der Mann hat einen Burn Out. Wenn der Heiler nicht mehr weiter weiß, heißt es, Sie hätten ein schlechtes Karma. Meinem Erachten nach unterscheidet Karma nicht zwischen gut und schlecht und es gibt meines Erachtens auch kein Karma, das man abarbeiten muss oder abbüßen muss. Karma ist lediglich der Teil unserer Existenz der hinter uns liegt — unsere Vergangenheit, vor dieser Inkarnation. Natürlich glaube auch ich, dass die ganze „Inkarniererei“ irgendeinem Zweck dienen soll und weil ich nun mal ein sehr logisch denkender Mensch bin, glaube auch ich, dass die Seelen dabei etwas lernen sollen und sich für jede Inkarnation etwas vornehmen. Etwas das sie lernen oder erfahren wollen — das hat aber nichts mit Karma zu tun.
Wenn jemand in diesem Leben zum Beispiel nicht in der Lage ist, einen Partner fürs Leben zu finden und all seine Beziehungen immer wieder in die Brüche gehen, obwohl er sich seines Erachtens noch so anstrengt und alles dafür tut, dass eine Beziehung hält – dann hat das in der Regel nichts mit Karma zu tun, sondern eher damit, wie man selbst aufgewachsen ist. Bestimmt findet sich im Herkunftssystem dieser Person noch jemand, der auch nicht Beziehungsfähig war, wahrscheinlich ein Elternteil. In diesem Falle wäre die Ursache systemisch und auch nur mit Systemtherapie erfolgreich behandelbar. In der Psychotherapie frage ich jedenfalls immer zuerst die systemische Ebene meiner Klienten ab und beachte dabei auch die materielle Ebene, und die kulturelle. Und erst wenn ich auf diesen Ebenen keinen roten Faden finde, also eine logisch nachvollziehbare, mögliche Ursache für das Anliegen des Klienten oder seinen Symptome/Probleme – erst dann besehen wir uns seine karmische Ebene.
Meiner ehemaligen Klientin erklärte ich das so: Angenommen jemand leidet unter einer Zwangsstörung, dann suche ich zuerst auf den Ebenen nach möglichen Ursachen, in denen mein Klient sich zurzeit bewegt oder die ihm am nächsten sind. (Deshalb meine Wahrnehmung, dass einige Ebenen höher oder tiefer liegen und manche sich überlappen, wie z.B. oft die kulturelle und geografische.) Also frage ich die Kindheit und das bisherige Leben meines Klienten ab, auf der Suche nach einem Trauma. Zwangsstörungen sind immer das Resultat eines traumatischen Erlebnisses, (außer vielleicht die Person ist manisch oder schizophren, was man differenzialdiagnostisch abklären müsste — aber so weit möchte ich jetzt auch nicht ausholen.) Meine Fragen umfassen jedenfalls die systemische Ebene des Klienten (wie und bei wem wuchs der Klient auf und was erlebte er dort.) Ebenso frage ich die geografische Ebene und ggf. die kulturelle Ebene ab (wo wuchs der Klient auf und wo lebt er jetzt.) Wuchs dieser Klient nämlich in einem Kriegsgebiet auf, wie z.B. dem ehemaligen Jugoslawien, ist es gut möglich, dass dort auch der Ursprung seines Traumas herrührt — auch wenn er es selbst verdrängt hat. Und natürlich spielt auch die kulturelle Ebene eine wichtige Rolle — nicht alle Menschen konnten in ihrem Denken nämlich so frei aufwachsen, wie wir Europäer. Und nur wenn ich auf diesen Ebenen nichts finde, was aber fast immer der Fall ist, besehen wir uns, wie gesagt, die karmische Ebene.
Natürlich ist es auch schon vorgekommen, dass wir die Ursache auf der karmischen Ebene fanden und sich dort ein Trauma zeigte, dass, obwohl der Klient es in einem früheren Leben erlebte, immer noch einen so großen Einfluss auf ihn ausübte, dass er immer noch unter den Symptomen litt. Hierzu gibt es auch eine Fallstudie in meinem Buch „Erzählende Seelen“. Aber ehrlich gesagt, sind rein karmische Ursprünge eher die Ausnahme von der Regel-!! Und es bringt auch nichts, gleich zu Beginn einer Psychotherapie die karmische Ebene zu ergründen, nur weil der Klient vielleicht glaubt, dass da die Ursache seiner Beschwerden herrühre. Aber natürlich berücksichtige ich die Tatsache, wenn der Klient dies glauben sollte.
Zugegeben, das Beispiel von der Zwangsstörung war ein einfaches Beispiel aus dem Bereich Traumatherapie. Deshalb möchte ich noch mal zurückkehren zu dem Beispiel, wo eine Person unter einer Beziehungsunfähigkeit leidet. Angenommen der Ursprung liegt in der Kindheit, weil auch ein Elternteil nicht beziehungsfähig war und die Person das Verhalten dieses Elternteils übernommen hat. Trotzdem ist es sehr gut möglich, dass wir dann bei einer Rückführung feststellen, dass die Person auch in ihrem vorherigen Leben schon nicht beziehungsfähig war. Dennoch kann ich das Problem nicht in der Vergangenheit lösen. Aber die Rückführung könnte zumindest erklären, warum die Person sich für dieses Leben Eltern aussuchte, von denen ein Teil beziehungsunfähig war. Möglich, dass die Seele der Person es sich zur Aufgabe gesetzt hatte ein Leben mit dieser Störung zu leben und darüber hinauszuwachsen — also die Störung zu überwinden, dies aber nicht schaffte — weshalb sie auch in diesem Leben wieder darunter leidet. Ich schreibe hier bewusst „wieder darunter leidet“ und nicht „wieder damit geboren wurde“. Mit so etwas kann man nicht geboren werden. Um eine solche Störung zu entwickeln braucht man ein Herkunftssystem mit den entsprechenden Voraussetzungen, wie z.B. einem Elternteil, von dem man die Störung dann übernehmen kann. Man nennt dies auch Symbiose-Trauma, wobei der Begriff Trauma hier vielleicht etwas irreführend ist. Psychoanalyse ist etwas sehr eingewickeltes — ich denke das sollte spätestens an dieser Stelle jedem Leser klar geworden sein.
Noch ein einfacheres Beispiel. Wenn eine Seele sich für ihre nächste Inkarnation vornimmt ein Leben in tiefster Armut zu fristen, bringt es nichts, wenn sie sich für die Inkarnation dann reiche Eltern aus einem westlichen Land aussucht. Und wenn eine Seele erleben möchte, wie es ist Beziehungsunfähig zu sein, braucht sie ebenfalls ein entsprechendes Umfeld, das es ihr ermöglicht diese Störung zu entwickeln. Nur leider reicht diese Erkenntnis nicht, um die Störung sogleich abzulegen. Das ist wie mit einem Kettenraucher — nur weil der gerne mit dem Rauchen aufhören möchte, kann er das Rauchen wahrscheinlich trotzdem nicht von jetzt auf gleich einstellen. Dazu gehört viel Willenskraft und Selbstreflektion und das Ablegen von alten Verhaltensmustern. So ist es auch bei einer Verhaltensstörung wie der Beziehungsunfähigkeit (Und letztendlich ist Rauchen ja auch nichts anderes, als eine Verhaltensstörung.)
Also; selbst wenn man in seinen früheren Leben Antworten finden mag, denen heutige Probleme oder Störungen zugrunde liegen, so kann man sie doch nur im Hier und Heute lösen! Unüberwindbares Karma gibt es also nicht. Höchstens unüberwindbare Probleme und Störungen. Rückführungsbegleiter die Klienten damit werben, dass Karma Schuld an ihren Problemen und Beschwerden sei und die versprechen, sie hätten die Lösung, wie man sich vom Karma befreien könnte, sind gute Geschäftsleute aber skrupellose und miserable Therapeuten! Sie erspinnen irgendein Konstrukt, was bei genauer Betrachtung weder Hand noch Fuß hat und keiner Logik standhält – aber gerne praktiziert und auch gerne in Anspruch genommen wird. Ich für meinen Teil habe auch die Erfahrung gemacht, dass die Menschen die felsenfest davon überzeugt sind, dass ihr Karma für ihre Probleme und Beschwerden verantwortlich ist, sich genaugenommen nur durch diese Behauptung identifizieren wollen. Nach dem Motto: Ich kann es ja nicht ändern. An einer Lösung sind sie auch gar nicht interessiert, sind ihre Beschwerden doch immer die perfekte Ausrede, warum sie nicht arbeiten können, oder warum sie dieses oder jenes nicht können, oder warum sie einer besonderen Fürsorge bedürfen. Wenn eine Beschwerde, ein Symptomkomplex oder ein Problem tatsächlich karmischen Ursprungs ist, lässt es sich jedoch genauso und mit denselben therapeutischen Handwerkszeugen lösen, wie Beschwerden oder Probleme die bspw. einwandfrei systemischen Ursprungs sind — eben WEIL man auch in diesem Leben dann wieder ein System benötigt, dass einem die Entwicklung der Symptome oder Probleme überhaupt erst wieder ermöglicht.
Ich erinnere mich an eine Klientin, die mir erzählte, was ihr bei einer Rückführung wiederfahren war. Die Frau litt unter der schlechten Beziehung zu ihrer Schwester und hatte daraufhin eine Rückführungsbegleiterin aufgesucht, weil man ihr gesagt hatte, ihr Problem sei karmisch. Tatsächlich erkannte die Frau, wie ihre Schwester im einem früheren Leben ertrank und sie nicht in der Lage gewesen war, diese zu retten. Auch damals waren die beiden Schwestern gewesen. Daraufhin hatte ihr diese Rückführungsbegleiterin suggeriert, sie würde die Szene nun noch einmal durchleben — nur jetzt könnte sie selbst besser schwimmen und sei dadurch in der Lage, die Schwester zu retten. So funktioniert Rückführung aber nicht. Das einzige was diese vermeintliche Rückführungsbegleiterin getan hatte, war dafür zu sorgen, dass ihre Klientin in eine Pseudo-Rückführung abdriftete. Selbst wenn der Ursprung karmisch gewesen wäre und tatsächlich das schlechte Verhältnis zur Schwester erklärt hätte, so wäre das Problem trotzdem ebenfalls nur Hier und Heute zu lösen gewesen, auch wenn es in einem früheren Leben verursacht wurde und sich im heutigen Leben lediglich fortgesetzt hätte. Was ich zugegebenermaßen nicht glaubte, weil der Grund mir zu abwegig erschien. In dem früheren Leben war die Frau selbst noch ein Kind gewesen, das kaum schwimmen konnte und sie hatte den Tod der Schwester auch nicht verursacht. Warum sollte die Seele der ertrunkenen Schwester also böse mit ihr sein? Außerdem kann man das was in einem früheren Leben geschah nicht mehr rückgängig machen. Was geschehen ist, ist geschehen. Wir fanden dann auch eine rein systemisch/materielle Ursache, welche in Bezug auf das gestörte Verhältnis der zwei Schwestern viel mehr Sinn ergab und dann zu einer Lösung führte.
Es gibt viele Ebene und nur wenn ich herausfinde welcher Ebene meine Probleme oder Beschwerden zuzuordnen sind, kann ich auch an einer sinnvollen und wirksamen Lösung arbeiten. Trotzdem führen die meisten Ursachen immer zur systemischen Ebene, weil sie uns am stärksten prägt. Karma ist nur ein Begriff mit vielen Facetten. Selbst wenn ich den Begriff benutzte um auszudrücken, dass es mein Karma ist, in diesem Leben ohne feste Beziehung alt zu werden — obwohl ich mir nichts sehnlicher wünsche, als eine eigene Familie, so gibt es doch wahrscheinlich eine systemische Lösung. Und ich denke, nur so kann man Karma überwinden. Nicht indem man es erduldet. Aber es ist einfacher zu sagen, etwas ist karmisch, also kann ich nichts dagegen tun, als an sich selbst zu arbeiten.
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