Steckbrief! Gesucht wird: Das Mohrenkopfbrötchen.
Es wurde zuletzt zwischen 1974 und 1975 vermehrt und nachweislich gesichtet. Von der Idee her ähnelt es ein wenig einem Hamburg. Ist jedoch wesentlich knackiger und mehr oval-förmig (außer in Bayern.) In der Mitte besteht das gesuchte Objekt aus hauchdünnem, zartschmelzendem Dunkelbraun und viel klebrigem, schaumigem Weiß. Vielleicht erinnert sich jemand von euch, das Gesuchte irgendwann einmal gegessen zu haben?
Die jüngeren Leser hingegen werden wohl eher schon alleine durch den Namen irritiert sein, denn der Ausdruck „Mohrenkopf“ und somit auch das Mohrenkopfbrötchen wurden aus dem deutschen Sprachgebrauch verbannt. Grandioser Weise gilt der Ausdruck heutzutage als rassistisch geprägt und diskriminierend. Was bitteschön sind dann Begriffe wie Herdprämie und Rentnerschwämme? Ganz zu schweigen von dem Namen eines Herstellers der in Schokoküsse umbenannten Mohrenköpfe!! Und in Holland gibt es zum Beispiel eine Kekssorte die nennt sich doch tatsächlich Jodekoek (Judenkuchen). Ich bin froh, dass Marcel Reich Ranicki DAS nicht mehr miterleben muss.
Naja. Jedenfalls, der politisch korrekte Ausdruck lautet heute nicht mehr Mohrenkopf oder (noch schlimmer) Negerkuss, sondern Schokokuss oder Schaumkuss. Wenn man das ganze Wortgeklauber jedoch auf die Goldwaage legen würde und wirklich pedantisch penibel wäre, dann müsste es – politisch korrekt – folgendermaßen heißen: Schaumgebäck mit afroafrikanischem Hintergrund und französischer Abstammung. Denn das Schaumige ist in diesem Fall ein Baiser und dies haben bekanntlich die Franzosen erfunden! Die waren im Übrigen auch die Ersten die auf die Idee kamen das Baiser in flüssige Schokolade zu tauchen und es dann tête de nègre zu nennen. Ein Baiser im Französischen ist übrigens ein Kuss.
Aber es geht hier ja auch nicht um den Schokokuss, aliasNegerkuss oder Mohrenkopf, sondern um das Mohrenkopfbrötchen! Irgendwie ist es ungefähr zur selben Zeit verschwunden, wie sein Name. Schaumkussbrötchen klingt auch ehrlich gesagt irgendwie unappetitlich. Das mag eine verquirlte Logik sein, zumal die Alternative Mohrenkopf lautet. Aber ich denke, dass ist ungefähr so, als wenn man dem Weihnachtsmann aus Schokolade den Kopf abbeißt oder dem Osterhasen die Ohren. Irgendwie steckt in den Meisten von uns doch auch noch etwas Kannibalisches!
Aber warum ist das Mohrenkopfbrötchen verschwunden? Das kann doch nicht nur damit zusammenhängen, dass sein Name nicht mehr als salonfähig gilt? Hat sich mal jemand Zigaretten-Packungen angesehen? Sind die etwa salonfähig oder politisch korrekt? Stellen Sie sich einmal vor, die Hersteller von Kartoffelchips oder Schokolade würden verpflichtet, Fotos von nackten Körperteilen extrem fettleibiger Menschen oder einer verfetteten Leber oder verstopften Arterien auf ihren Produkten abzubilden. (Nicht dass dies wirklich Einfluss hätte — den eingefleischten Raucher juckt es ja auch nicht, was da auf seiner Zigarettenschachtel abgebildet wird und ich hoffe dass ich damit nicht auch einige grüne Politiker auf dumme Gedanken gebracht habe.)
Vielleicht ist der Zeitgeist schuld, dass das Mohrenkopfbrötchen weg ist. Der neueste Trend heißt Cronut und besteht zur Hälfte aus einem Croissant und zur Hälfte aus einem Donut. Schmeckt wie eingeschlafene Füße und krümelt ohne Ende. Ich frage mich warum man stattdessen nicht einen Donut und einen Bagel gekreuzt hat — zumindest hat beides ein Loch in der Mitte! Aber was das angeht, bin ich wahrscheinlich eh ein schlechter Ratgeber, weil ich nicht dem Geschmack der Mehrheit der Bevölkerung entspreche. Ich mag zum Beispiel auch keine Cola und kein Bier und mit Pommes kann man mich jaaaaaaaaaaaaaaaagen.) Und vielleicht bin ich ja tatsächlich der Letzte der das Mohrenkopfbrötchen lecker findet?
Vor etlichen Jahren, mein Gott die Zeit fliegt, als ich noch als Unternehmerin in Holland tätig war, dachte ich mal, ich tue den Angestellten etwas Gutes und besorgte extra früh morgens ins Deutschland ofenfrische, knackige Brötchen und MOHENKÖPFE. Die Sache war kein Erfolg. Erstens mag der Holländer kein knackiges Brötchen (gewöhnliche holländische Brötchen sind so weich wie bei uns die Milchbrötchen, nur noch viel labberiger) und mit dem Mohrenkopf dazwischen kamen sie auch nicht wirklich klar. Ich denke, sie dachten dies wäre meine Retourkutsche für die Bitterballen (holländische frittierte Bällchen mit undefinierbarem Inhalt.) Aber es ist natürlich auch schon Scheiße, wenn einem das Baiser zwischen die PC-Tastatur tropft, und ein Mohrenkopfbrötchen essen, will nun mal gelernt sein.
Das Mohrenkopfbrötchen ist jedenfalls weg. Vorbei sind die Tage wo der Bäcker frische Mohrenköpfe und ein scharfes Brotmesser gleich neben den Brötchen liegen hatte. Und soll ich mir jetzt einen ganzen Karton Schoko- oder Schaumküsse kaufen nur wegen eines einzigen Mohrenkopfbrötchens?
Trost spenden da nur die Marzipan-Baumstämme mit Nougatkern die es zu Weihnachten bei Aldi gibt. (Mittlerweile gibt es die allerdings schon gegen Ende des Sommers.) Die Baumstämme sind so ziemlich das Einzige aus meiner Kindheit, dass es immer noch gibt und das all die Jahre hindurch auch geschmacklich unverändert blieb. Zwar hat sich die Verpackung total geändert, aber geschmacklich sind die Baumstämme immer noch gleich. (Was man zum Beispiel von der Kinderschokolade nicht behaupten kann. Das ist jedenfalls meine Meinung.) Die Frage ist, wann der Hersteller die Baumstämme umbenennen muss, weil eine Partei oder Initiative die ca. 49% der deutschen Bevölkerung zu vertreten glaubt — selbst ohne Mandat oder Auftrag — plötzlich meint, diese 49% könnten den Namen als moralisch anstößig und sexistisch empfinden.
Was bleibt ist die Leere. Die Leere die nur ein Mohrenkopfbrötchen ausfüllen könnte……………………
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Post (Blog) Foto 5: Edelnugat-Marzipan-Baumstamm von Aldi Süd
Bis auf eine Kleinigkeit richtig: Die “wirklich echten” Baumstämme kamen von der Firma Grothe und hatten oben auf zwei und an den Stirnseiten noch je einen Kringel Zartbitterschokolade. Außerdem habe ich den Eindruck, dass bei Grothe höherwertige Ware in der Produktion zum Einsatz kam. Allerdings gab es den auch nicht zum Aldipreis.
Und die Brötchen mag meine Frau auch heute noch – Sie sind nicht alleine.