Neulich waren Theo und ich bei unserem Lieblingsitaliener. Wie immer war auch Øsel mit dabei. Weil ich nicht möchte, dass Øsel auf dem kalten Boden liegt, nehme ich immer eine dick-gefütterte Hundematte mit und natürlich weiß Øsel auch ganz genau, dass dies seine Matte ist. Außerdem suchen wir uns nach Möglichkeit immer einen Platz an der Heizung, denn ich friere schnell und irgendwie glaube ich, dass auch Øsel schnell friert — obwohl er mich immer auslacht, wenn ich ihn frage, ob er kalt hat. Wenn wir dann unsere Getränke bestellen, frage ich auch immer sofort nach einer Schale mit Wasser für Øsel. In dieser Pizzeria ist das Fragen danach jedoch unnötig, weil die Besitzerin selbst sehr tierlieb ist und gleich mit Wasser und ein paar Leckereien für Øsel kommt. Øsel weiß das und er genießt es auch, sich so umsorgen zu lassen.
An diesem speziellen Abend nun saß am Nachbartisch ein älteres Ehepaar und beobachtete aufmerksam, wie unser Hund sich verwöhnen ließ.
»Wenn ich noch mal wiedergeboren werde, dann möchte ich auch so ein Hund werden«, sagte der Mann daraufhin zu seiner Frau, aber so, dass wir anderen es ebenfalls hören konnten.
»Nee«, erwiderte die Restaurantbesitzerin, »ich will nicht mehr zurückkommen! Einmal hat mir gereicht!«
»Och«, sagte die Frau am Nachbartisch, »ich würde schon gerne…«
»Ja, aber dann wohl irgendwo, wo’s wärmer ist.« Letzteres hatte wieder ihr Mann gesagt — und schwupp hatten wir eine rege Unterhaltung.
Wir gehen immer relativ spät Essen und das Restaurant war zu dem Zeitpunkt auch kaum noch besucht. Theo meinte dann, das wäre doch eh alles Unsinn und wenn man gestorben ist, sei man Tod und damit basta! Die Restaurantbesitzerin sah das ähnlich wie er.
»Ich will gar nicht daran denken, dass ich noch mal wiederkommen muss«, stöhnte sie.
»Und wenn es ein Leben irgendwo auf den Malediven wäre?«, fragte der Mann am Nachbartisch sie. Doch die Restaurantbesitzerin schüttelte nur energisch den Kopf.
»Nur über meine Leiche«, brummte sie. Ich dachte einen kurzen Augenblick über die Logik ihrer Worte nach. So gesehen hatte sie recht. Wenn Reinkarnation tatsächlich geschieht, dann tatsächlich nur über Leichen.
»Naja, wenn das so ist — wenn’s dann auch Florida sein könnte und ich ein Haus gleich neben einem Golfplatz haben könnte.« Theo grinste verschmitzt. So funktioniert das Konvertieren also — man muss den Menschen nur den richtigen Anreiz geben. Bei Theo ist es ein Golfplatz direkt vorm Haus, bei den alten Christen war es das Versprechen der Auferstehung am Jüngsten Tag. Wenn das so ist, nehme ich persönlich allerdings auch lieber den Golfplatz, statt des leeren Kartons!
Nur die Restaurantbesitzerin schüttelte immer noch rigoros und dennoch müde ihren Kopf.
»Ich will gar nicht daran denken, dass ich noch mal hierher zurück muss.«
Ich hatte schon auf der Zunge zu sagen, dass es ja vielleicht auch ein anderer Planet sein könnte, wo das Leben vielleicht nicht ganz so schwer ist, verkniff mir die Bemerkung aber noch rechtzeitig. Viele Menschen sind eben schon bei der Vorstellung von Wiedergeburt auf der Erde irritiert, da sollte man sie nicht noch zusätzlich überfordern in dem man ihnen auch noch auf die Nase bindet, dass — rein theoretisch natürlich — auch eine Wiedergeburt auf einem anderen Planeten oder einer anderen Welt oder einem Paralleluniversum durchaus im Bereich des Möglichen liegt. Ganz abgesehen davon wusste, außer Theo natürlich, auch niemand in diesem Restaurant welchen Beruf ich ausübe und mir ist sehr daran gelegen, dass dies auch so bleibt.
Natürlich sagte das Verhalten der Restaurantbesitzerin auch genug über sie selbst. Es ist typisch für Menschen die schwere Schicksalsschläge und Enttäuschungen hinter sich haben. Für solche Menschen ist es oft ein Graus, sich vorzustellen, dass sie nach dem Tod noch mal hierher zurück müssen. Ich für meinen Teil würde jedoch sehr gerne noch ein paarmal wiederkommen. Allerdings würde ich bei nächsten Mal ein paar Dinge sorgfältiger planen und ich bin überzeugt, dass dies auch möglich ist! So gesehen machte es der Mann am Nachbartisch schon ganz richtig, als er sagte, dass er dann aber gerne auf den Malediven wiedergeboren werden würde. Ob er da dann glücklich wird, sei dahin gestellt, aber er hat eine Bedingung gestellt und ich denke, dass Bedingungen durchaus im Bereich des Möglichen liegen. Vorausgesetzt natürlich, man lässt sich erst einmal bewusst auf die Idee von Reinkarnation ein. Ich würde für meine nächste Inkarnation nämlich auch ein paar Bedingungen stellen. Zuerst einmal würde ich gerne ein absolutes Wunschkind sein! Ich würde mir Eltern wünschen die liebevoll, besonnen, erwachsen, intelligent und zumindest so wohlhabend sind, dass sie mir die bestmöglichste Schulausbildung und ein Studium ermöglichen könnten. Alles andere danach würde ich dann schon wieder selbst hinkriegen und wenn mir dann nach einem warmen Land zumute ist oder einem Golfplatz in der Nähe, naja, dann glaube ich, dass ich das selbst gemanagt bekomme. Wichtiger wäre mir, dass ich in einem Land mit freier Meinungsäußerung und ohne Unterdrückung oder erdrückende Korruption aufwachsen könnte und etwas studieren könnte das mit Wissenschaft und Fortschritt zu tun hat. Ich würde (wenn ich es in diesem Leben schon nicht mehr schaffe, aber noch ist ja nicht aller Tage Abend) dann auch gerne ins Weltall fliegen. Und ich hätte gerne wieder einen gesunden, weiblichen Körper mit hohem IQ der pflegeleicht, etwas überdurchschnittlich groß und sportlich-schlank ist. Das zusammen mit einem soliden Herkunftssystem und einer guten Ausbildung müsste reichen, sich ein angenehmes und dennoch produktives Leben zu gestalten.
Wir äußern fast täglich irgendwelche Wünsche: Ich wünsche es würde endlich aufhören zu regnen. Ich wünsche der Typ vor mir würde endlich mal Gas geben. Ich wünsche ich hätte auch mal Glück. Ich wünsche diese alte Schabrake kriegt die Krätze. Ich wünsche ich hätte auch solche Haare. Ich wünsche ich könnte essen ohne zuzunehmen. Ich wünsche… . Das ist meist alles so dahingesagt, obwohl doch verbunden mit echten Emotionen — aber eben nur als Momentaufnahme, denn kurze Zeit später sind wir es schon wieder vergessen. Jedenfalls bis zum nächsten Mal, wo wir wieder damit konfrontiert werden.
Wenn es aber um wirklich konkrete und wichtige Dinge geht, reflektieren wir da, dass wir uns etwas wünschen? Wüschen wir dann überhaupt, oder hoffen wir bloß, dass sich alles so erfüllt, wie wir es uns wünschen? Zwischen Hoffen und Wüschen liegen Welten. Ich hoffe, ich bestehe die Prüfung. Oder ich wünsche mir, dass ich dir Prüfung bestehe. Ich hoffe, ich bekomme den Job. Oder ich wünsche mir, dass ich den Job bekomme. Ich hoffe, dass ich im nächsten Leben unter besseren Bedingungen geboren werde. Ich wünsche mir, dass ich im nächsten Leben unter besseren Bedingungen geboren werde. Solange man nur auf etwas hofft, ist man weiterhin dem Schicksal ausgeliefert und Schicksal ist ein selbstgefälliges Miststück. In dem Moment allerdings, wo ich mir etwas wünsche bin ich meinem Ziel schon viel näher, als durch bloßes hoffen — und dies nur durch eine andere Wortwahl! Ein Wunsch kann eine Bedingung sein, die das Schicksal kaltstellt. Hoffen hingegen ist wie Händeringen oder Bittstellen.
Zugegeben im heutigen Leben ändert es vielleicht nicht unbedingt etwas am Ergebnis, ob ich nur darauf hoffe oder es mir wünsche. Ob ich die Prüfung bestanden habe hängt wohl eher damit zusammen, wie fleißig ich gelernt habe und ob ich den Job bekomme, sollte auch eher damit zusammenhängen, wie qualifiziert ich bin. Trotzdem glaube ich das gut — und vor allen Dingen bewusst formulierte Wünsche —, eine Wirkung haben können. Zum Beispiel, wenn ich beim Vorstellungsgespräch dem Boss direkt sage, dass ich mir wünsche, den Job zu bekommen. In dem Moment, wo er dann nämlich zwischen mir und einer anderen Person wählen muss, sind meine Chancen gestiegen. Außerdem, sich etwas Wünschen kostet nichts. Also warum sich für das nächste Leben nicht auch etwas wünschen? Vielleicht verpufft die Wunschenergie, weil Reinkarnation tatsächlich nur ein Hirngespinst ist — aber was, wenn nicht? Wäre es da nicht besser gewisse Vorkehrungen zu treffen? Es kann mit Sicherheit nicht schaden! Man sollte aber mit Bedacht wünschen — um noch mal auf den Herrn in der Pizzeria zurückzukommen, der sich zuerst wünschte im nächsten Leben auch ein Hund zu werden. Man sollte sich nur etwas wünschen, dass man auch wirklich möchte und wozu man dann auch stehen kann. Und da wir uns ja gerade zum Jahresende immer so gerne so viel wünschen, was im nächsten Jahr nicht alles besser werden soll — warum nicht einfach mal noch etwas weiter in die Zukunft wünschen, als bloß bis 2015?
Titelfoto & Post (Blog) Images: Pixabay free images, commercial use & mods allowed