Ich fange am besten mit der Begebenheit an, die mich auch zur Idee verleitete darüber zu bloggen. Neulich auf dem Parkplatz vor meinem momentanen Lieblingsladen, dem Biomarkt in Bocholt. Ich mag den Laden auch deshalb so, weil das Personal dort besonders freundlich und hilfsbereit ist. Jedenfalls bin ich gerade im Begriff vom Parkplatz auf die Straße abzubiegen, als ein entgegenkommender Wagen mir die Zufahrt versperrt. Die Dame hinter dem Steuer des Wagens, der zugegebenermaßen ziemlich groß war, hatte statt der Innenkurve die Außenkurve genommen. Gut, die Dame fuhr ein ziemliches Schlachtschiff und außerdem war sie gerade in eine angeregte Unterhaltung mit der Beifahrerin vertieft. Da passiert sowas schon mal! Dem Aussehen nach musste es sich bei der Frau auf dem Beifahrersitz auch um die Mutter der Fahrerin handeln, was wahrscheinlich erschwerend hinzukam. (Ich muss dabei manchmal an die Männer dieser Frauen denken, auch wenn das gemein und auch nicht immer stimmig ist. Aber es kann jedenfalls nie schaden, wenn man sich als Mann auch die Mutter der Auserwählten genau anschaut. Nur allzu oft sieht man nämlich dann, wie die Angebetete in 20 oder 30 Jahren aussehen wird. Dies ist, wie gesagt, nicht immer zutreffen — doch im Falle dieser beiden Grazien war es das! Und genauso sicher bin ich mir, dass der Mann der Schlachtschiff-Fahrerin es vor 30 Jahren definitiv versäumt hat, einen Blick auf Mutter zu werfen!! Ich weiß, jetzt werde ich gehässig!)
Jedenfalls war die Fahrerin auch nicht von der schnellen Truppe. Statt rückwärts zu setzen ? so lange noch kein weiteres Fahrzeug hinter ihr stand, erging sie sich weiter im Gespräch mit der Mutter und machte mit der Hand über dem Steuer eine Bewegung in meine Richtung: Mach‘ mal Platz! Ich hatte jedoch ein Auto hinter mir, muss aber bei solchen Dingen nicht partout auf meinem Recht bestehen. Außerdem bin ich flexibel. Etwas rechts hinter mir war ein kleiner Bereich, der für Fahrräder vorgesehen ist. Da mein Auto auch nicht so groß ist und der Abstand zwischen mir und meinem Hintermann auch gerade noch groß genug war, setzte ich behände zurück und quetschte mich in die Fahrradlücke. So konnte die Gnädigste im Schachtschiff auf den Parkplatz rollen. Wie ich ihr so dabei zusah, habe ich jedoch etwas unreflektiert den Kopf geschüttelt, denn Gnädigste schaffte es auch nicht ohne weiteres die Kurve zu kriegen, um an dem Auto vorbeizufahren, welches hinter mir gestanden hatte. Mein Fehler war es gewesen, warten zu wollen, bis auch der Mann im Auto hinter mir weg war ? dadurch setzte mich Gnädigste allerdings zu und wartete in aller Seelenruhe, bis auch der Mann zurückgesetzt hatte.
Die Frau sah mein Kopfschütteln, hob die rechte Hand und zeigte mir den Mittelfinger. Dabei formten ihre Lippen die Worte fxxx dich. Tja, daher kommt wohl das Sprichwort „Frechheit siegt“. Früher wäre ich ausgestiegen und hätte ihr ein paar Takte gesagt und das ist noch nicht so lange her. Manchmal tue ich das auch noch, aber in diesem Falle verzichtete ich darauf. Außerdem wäre dann mein Kaffee-to-go kalt geworden! Nur das böse Stimmchen in meinem Kopf meldete sich und hatte wie immer sofort eine Antwort parat: Tja, wenn DU mehr fxxxxx würdest wärst du bestimmt viel ausgeglichener. Aber mit DEM Gesicht — da hilft auch kein Schönsaufen!
Vor ein paar Monaten waren Theo und ich im Kaufhof im Centro Oberhausen, weil wir neue Bettwäsche kaufen wollten. Es war schon Abend, ca. eine Stunde vor Verkaufsschluss und es war entsprechend wenig los. Während Theo und ich im Chaos von schlecht sortierter Bettwäsche versuchten immer zwei passende Garnituren zu finden, die auch noch die selbe Größe hatten, standen unweit entfernt zwei Verkäuferinnen und unterhielten sich angeregt über ihre Kinder. Von und nahmen sie keine Notiz. Doch dann konnte ich die Spannbezüge für Übergrößen nicht finden und beschloss die beiden Damen in ihrer Unterhaltung zu stören. Noch bevor ich meine Frage stellen konnte, sagte eine der beiden schon zu mir: Die Sonderangebote finden Sie da hinten! ? und machte dabei mit der Hand eine ganz ähnliche Bewegung, wie die Gnädigste im Schlachtschiff. Gleich darauf wandte sie sich wieder ihrer Kollegin zu und fuhr mit der Unterhaltung fort. Ich suche Spannbetttücher in Übergrößen, sagte ich ungerührt. Die Frau warf mir einen vernichtenden Blick zu und antwortete genervt: Liegen auch dahinten — wieder gefolgt von der sich schüttelnden Hand. Geh‘ endlich weg, kapierst du nicht, dass du störst, sollte dies bedeuten. Plötzlich verstand ich, warum so viele Angestellte im Handel über dreiste oder freche Kunden klagten. In den Augen dieser beiden Verkäuferinnen musste mein Benehmen wirklich mehr als anmaßend und unhöflich gewesen sein. Immerhin weiß doch jedes Kind, dass man zwei Personen die sich gerade in einem Privatgespräch befinden nicht eben mal so stört! Statt hier rumzulabern sollte die lieber mal ihre Arbeit tun und die Regale sortieren! Was glaubst die eigentlich womit der Konzern für den sie arbeitet das Geld umsetzt von dem sie dann ihr Gehalt bekommt?!, meldete sich das böse Stimmchen wieder sofort. Ich ignorierte es und begab mich stattdessen auf die Odyssee nach der Suche von geeigneten Laken.
Naja, wir fanden die Betttücher auch ohne Hilfe, genauso, wie wir ein paar Wochen später dort auch ohne Hilfe den Zucchini-Spiralschneider fanden. Ähnliches passierte dann auch einer Freundin von mir vor ein paar Tagen in Düsseldorf. Noch bevor sie ihre Frage zu Ende formuliert hatte, fuhr ihr die Verkäuferin schon ins Wort. Ham‘ we nich! Natürlich hatten sie es und wir fanden es auch. Schön, dass solche Dinge nicht nur mir passieren!
Aber wann hat das angefangen? Natürlich, unfreundliche und auch faule Menschen hat es immer schon gegeben und wird es auch immer geben — aber irgendwie habe ich das Gefühl, als wenn es in den letzten Jahren zugenommen hat. Natürlich hängt das auch mit der wachsenden Unzufriedenheit zusammen. Je besser es einem geht, desto grüner ist auch das Gras beim Nachbarn. Und gerade der Job einer Kaufhausverkäuferin ist auch bestimmt nichts worum man denjenigen beneiden muss. Aber hey, Deutschland ist ein freies Land und niemand verpflichtet die Leute dort zu arbeiten. Wer qualifiziert ist findet überall einen Job und ich bin mir sicher, dass es noch ein paar Rumänen oder neuerdings auch Spanier gibt, die sich nach so einem Job die Finger lecken. Und für ein bisschen Freundlichkeit nehme ich auch gerne in kauf, dass diese Leute eventuell schlechtes Deutsch sprechen. Mich ärgert das unfreundliche Benehmen von Verkäufern natürlich besonders, weil ich genau weiß wie Schxxxxe es sein kann, wenn du dir den ganzen Tag die Beine in den Bauch stehst und nur Idioten in den Laden kommen — denn dreiste Kunden gibt es wirklich. Nur dass die gleich rumpöbeln, eh Alte haste mal `ne Jeans für mich! Wer freundlich um Hilfe bittet, sollte auch freundlich bedient werden!
Ich weiß noch, wie ich 1998 von Spanien in die Niederlande zog und welche Wohltat es war, mehrheitlich freundlichen Menschen zu begegnen. Spanien hatte schon immer eine hohe Arbeitslosigkeit, auch Katalonien, und zusätzlich zur Missgunst kam dort erschwerend hinzu dass ich Ausländerin war. Jeder Ausländer in Deutschland der meint, dass ich als Deutsche nicht wissen kann, was es heißt diskriminiert zu werden, den kann ich eines Besseren belehren. Obwohl man sicherlich nicht alle Spanier oder Katalanen (oder Deutsche, oder Holländer, oder wen auch immer) über einen Kamm scheren kann und ich dies auch nicht tue. Irgendwann, vielleicht so sechs oder sieben Jahre nachdem ich Spanien verlassen hatte, machte sich diese Oberflächlichkeit, Dreistigkeit und Unfreundlichkeit auch in Holland und Deutschland zunehmend bemerkbar. Vielleicht hängt dies tatsächlich alles auch mit wirtschaftlichen Faktoren zusammen. Vielleicht würde es sich ja mal lohnen in dieser Hinsicht eine Untersuchung durchzuführen. Es ist so als hätte sich ein heimtückischer Virus im Laufe der Zeit vom Süden Europas langsam in Richtung Norden ausgebreitet. Ergeht es nur mir so, dass ich in Fußgängerstraßen immer höllisch aufpassen muss um nicht angerempelt zu werden? Ich bin ziemlich groß, also liegt es mit Sicherheit nicht daran, dass man mich nicht sieht. Eine Freundin von mir lacht bloß darüber. Tatsächlich wird sie auch nie angerempelt. Ich hab das mal beobachtet, als wir zusammen eine Messe besuchten, wo es ziemlich voll war. Die Leute sprangen förmlich vor ihr aus dem Weg! Aber sie hatte auch einen dermaßen grimmigen Gesichtsausdruck aufgesetzt… .
In den USA ist dies ganz anders — jedenfalls was die Dienstleister angeht. Aber ich kann mich auch nicht daran erinnern auf der 5th Ave. jemals so oft angerempelt worden zu sein, wie bspw. auf der Kö. Das Erfolgsrezept dort ist ganz einfach. Erstens, wer dort arbeitslos wird bekommt nicht automatisch Geld vom Staat und zweitens in vielen Berufen, gerade im Handel, und sowieso in der Gastronomie werden die Angestellten nach Umsatz bezahlt. In Florida ist es z.B. üblich dass Bedienungen nur von den Trinkgeldern bezahlt werden. Dieses ist allerdings schon in der Rechnung integriert und beträgt je nach Lokal bis zu 20%. Weil die Angestellten davon aber auch ihre Versicherungen etc. selbst bezahlen müssen reicht dieses Geld in der Regel nicht und sie sind auf das Extra-Tipp angewiesen, welches viele Kunden jedoch verweigern — also sind die Bedienungen dort besonders freundlich, flott und zuvorkommend. Ähnlich verhält es sich auch in den Geschäften. Die Menschen die dort arbeiten sind zumeist auch wirklich froh darüber dass sie einen Job haben, denn ohne Job stünde ihre gesamte Existenz auf dem Spiel und das motiviert! Eine solche Motivation findet man hierzulande eigentlich nur noch bei Kleinunternehmern.
Die gute soziale Absicherung in Deutschland ist natürlich ein Grund, der das Desinteresse vieler Angestellten an ihrem Job erklärt. Denn hier muss niemand um seine Existenz fürchten bloß weil er seinen Job verliert und wer hier als Obdachloser lebt, der tut dies aus freien Stücken. Diejenigen hingegen, die ihren Job gut machen und sogar noch Freude an der Arbeit haben, denen wird der Job oft von den Kollegen vermiest, deren Hauptbeschäftigung darin besteht auf die Uhr zu sehen, wann nun endlich Feierabend ist. Mobbing nennt man das und ich habe einige Klienten gehabt die dagegen zu kämpfen hatten. Ich frage mich, ob die Menschen die sich im Alltag auf der Straße oder anderswo auch immer egoistisch, unfreundlich oder dreist verhalten dieselben sind, die in ihrem Job faul und unfreundlich sind. Der Verdacht liegt zumindest sehr nahe.
Nettigkeiten
Titelfoto & Post (Blog) Fotos/Images: Pixabay free images, commercial use & mods allowed