Neues von Familie Storch!

Endlich nette Nachbarn! Teil 4: Wer auf ein Happy End gehofft hatte, der sollte diesen Blog besser nicht lesen, denn Thomas ist wahrscheinlich tot. Es ist jetzt 10 Tage her, dass ich ihn das letzte Mal lebend gesehen habe. Dies war am Samstagabend, dem 21. Mai. Zuerst habe ich mir auch nichts dabei gedacht, als ich Thomas dann an den darauffolgenden Tagen nicht sah — immerhin wäre es nicht das erste Mal gewesen, dass er für mehrere Tage verschwindet oder ich zumindest seine Anwesenheit am Nest verpasste. Ich beobachte das Nest natürlich auch nicht 24 Stunden, rund um die Uhr. Andererseits weiß ich aber, dass er bei Sonnenauf- und Sonnenuntergang eigentlich immer auf dem Nest war, zumindest seit Beppi eine Gelege hatte. Dann hat er mit ihr in die Sonne geschaut oder die beiden haben sich gegenseitig das Gefieder geputzt.

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Dienstag letzter Woche, also drei Tage nach Thomas‘ Verschwinden, bin ich dann mit Theo in Holland gewesen. Auf der Rückfahrt über die Autobahn müssen wir immer durch eine ziemlich lange Baustelle — und dort lang ein toter Storch, kurz vor unserer Autobahnausfahrt. Diese liegt Luftlinie keine 5 Km von unserem Haus und dem Storchennest entfernt. Ich glaube ja nicht an Zufälle und irgendwie sagte mir in dem Moment als ich den toten Storch erblickte auch mein Gefühl, dass es sich dabei um Thomas handelt. Natürlich frage ich mich seither ebenfalls, wie man überhaupt einen so großen Vogel — noch dazu in einer Baustelle mit Tempo 80 — überfahren kann. Der Vogel wird wohl kaum direkt in der Baustelle und auf der Fahrbahn gelandet sein!

Zuerst hat Beppi mit ihrem Nachwuchs auch tapfer auf dem Nest ausgehaart. Allerdings waren die Storchenbabys noch so klein, dass man sie fast nicht sehen konnte, weil sie kaum über den Nestrand ragten. Dass Beppi Nachwuchs hatte merkte man genaugenommen nur daran, dass sie nun öfter unter sich zugange war und öfter auf dem Nest stand als darin zu liegen, wie zu der Zeit als sie noch brütete. An dieser Stelle muss ich meine vorherigen Blogs auch nochmals berichtigen: Es stimmt nicht, dass Thomas ausschließlich mit der Futtersuche beschäftigt war und Beppi ausschließlich brütete, bzw. bei den Jungen blieb. Meistens waren die Rollen zwar so verteilt, aber ich habe auch einmal beobachtet, wie Thomas von einem Ausflug zurückkam und er dann beim Nest blieb, während Beppi davonflog. Trotzdem bin ich mir ziemlich sicher, dass es sich bei dem dann am Nest alleine zurückgebliebenen Storch um Beppi handelte und nicht um Thomas. Erstens habe ich mittlerweile ganz gut gelernt, die beiden auseinanderzuhalten und zweitens waren beide Störche beringt — nur dass Thomas seinen Ring am rechten Bein trug und Beppi am linken.

Am fünften Tag nach Thomas‘ Verschwinden hat Beppi dann angefangen, das Nest immer öfter zu verlassen. Wenn man dann ganz genau durch das Fernglas den oberen Nestrand beobachtete, konnte man jedoch Bewegungen im Nest erkennen. Zuerst blieb Beppi dem Nest auch immer nur für wenige Minuten fern und hielt sich dabei auch immer noch in unmittelbarer Nähe zu diesem auf. Doch dann hörten auch die Bewegungen im Nest auf und ich bin mir sicher, dass die Jungtiere verhungert sind.

Schon zwei Störche sind mit der Aufzucht ihrer Jungen, und dem Herbeischaffen von ausreichend Nahrung, oftmals überfordert — wie also hätte Beppi das jemals alleine schaffen sollen. Ich habe zwar überlegt, den Naturschutzbund NABU zu verständigen, aber ich glaube kaum, dass jemand gekommen wäre, um die Storchenbabys abzuholen, um dann zu versuchen, diese per Hand aufzuziehen. Dies ist eben der Lauf der Natur. Überall fallen Storchenbabys einfach aus dem Nest oder verhungern oder ein Sturm zwingt die Eltern zur Aufgabe des Nestes. Trotzdem mache ich mir jetzt Vorwürfe zu lange gewartet zu haben. Dass das Storchennest nicht mein eigenes ist, sondern genaugenommen den Nachbarn gehört, spielt dabei keine Rolle.

In den letzten Tagen ging Beppi dann auch immer mehr dazu über, für längere Zeit wegzufliegen. Wahrscheinlich war sie auf Nahrungssuche für sich selbst. Wenn sie noch am Nest war, dann schaute sie auch nicht mehr unter sich oder war mit etwas auf dem Boden des Nestes beschäftigt. Oft stand sie einfach nur lange auf dem Nest und blickte abwechseln in alle Richtungen, so als warte sie auf etwas oder jemanden. Ich weiß, ich vermenschliche schon wieder, aber genauso hat es nun mal ausgesehen. Ich frage mich, was in so einem Tier vorgeht. Ob Beppi ihren Partner vermisst? Wahrscheinlich schon. Ob sie aber um ihre Jungen trauert — ich weiß es nicht. Ich nehme an, dass ihr eigener Überlebensinstinkt stärker ist als alles andere. So ist es bei dem meisten Menschen ja auch.

Seit dem vergangenen Sonntag ist nun auch Beppi fort und das Nest verlassen. Vielleicht ist sie schon zurück nach Afrika geflogen oder wo immer sie überwintern mag. Vielleicht ist sie aber auch noch in der Nähe, auch wenn sie nicht mehr zum Nest zurückkehrt. Vielleicht hat sie sich aber auch einer Schar Störche angeschlossen, die ab und zu hier auf den Feldern ebenfalls nach Nahrung suchten. Bei diesen Störchen handelt es sich um eine Gruppe von acht Störchen die entweder zu jung zur Paarung sind oder alle einem Geschlecht angehören und keinen Partner, bzw. keine Partnerin, gefunden haben. Über solche Gruppen von Störchen habe ich auch nichts im Internet finden können, entsprechend sind dies auch nur meine logischen Schlussfolgerungen, weil ich weiß, das Störche außerhalb der Brutzeit auch in größeren Gruppen zusammenleben.* Jedenfalls — wo auch immer Beppi nun sein mag, sie wird sich wohl einen neuen Partner suchen — spätestens nächstes Jahr auf dem Weg zurück nach Europa. Ich wünsche ihr jedenfalls alles Gute, allerdings hoffe ich inständig, dass sie nicht wieder hierher zurückkehren wird und ich hoffe auch, dass dieses Storchennest nie wieder belegt sein wird!

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Der Niederrhein ist kalt und ungemütlich. Gestern Morgen hatten wir ein schreckliches Gewitter mit Sturzregen. Wären Beppis Junge nicht verhungert, so wären sie spätestens gestern Morgen wahrscheinlich in ihrem Nest ertrunken. Natürlich hat es in den vergangenen Tagen fast überall in Deutschland schwere Unwetter gegeben, aber hier es das schon irgendwie ein Dauerzustand. Wie oft habe ich nicht beobachtete, wie Beppi unter schlimmsten Wetterbedingungen auf ihrem Nest ausharrte! Hinzu kommt das die Felder hier maßlos überdüngt sind und nachts werden zudem auch oft noch Pestizide in so hoher Konzentration versprüht, dass selbst am nächsten Morgen immer noch dicke Schaumwolken über die Wege wabern. Wenn das Wetter die Vögel also nicht umbringt, dann tut es der Futtermangel bedingt durch diesen Raubbau, der die Vögel zwingt, immer weiter zu fliegen auf der Suche nach Nahrung. Bevor die Felder rings um das Storchennest gedüngt und bestellt wurden, fanden beide Vögel jedenfalls genug Futter in unmittelbarer Nähe zum Nest und oft sah ich einen der beiden auf den angrenzenden Feldern, wenn ich mit Øsel spazieren ging. Auf den Feldern wuchs zu dem Zeitpunkt noch Gras und dort fanden die Störche dann u. a. auch genügend Frösche. Später jedoch waren sie genötigt, immer größere Entfernungen auf der Suche nach Nahrung zurückzulegen. Wäre dies nicht nötig gewesen, würde zumindest Thomas vielleicht noch leben.

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Leider ist es auch nicht so, dass die Gülle hier auf allen Feldern gleich untergepflügt wird. Auf einem der noch immer unbestellten Felder liegt die Gülle nun schon wieder seit mehr als zwei Wochen. Reicht man dagegen jedoch Beschwerde ein, stößt man bei den zuständigen Behörden entweder auf taube Ohren oder muss sich selbst Vorhaltungen machen lassen man sei intolerant. Gleiches gilt für den Hausmüll, den viele Anwohner hier einfach auf den Feldern entsorgen und der nicht nur den Störchen ebenfalls zum Verhängnis werden kann.

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Vor einigen Wochen sah ich zudem einen Bericht im Fernsehen, über das sogenannte Storchendorf Rühstädt in Brandenburg. Nirgendwo in Deutschland nisten jedes Jahr mehr Störche als dort und das auch noch erfolgreich. Fast jeder Einwohner hat dort eine Nesthilfe in seinem Garten oder ein Storchennest auf seinem Hausdach. Allerdings pflegen die Leute dort ihre Nester auch. Bevor die Störche jedes Jahr zurückkehren, reinigen die Bewohner die Nester und polstern sie auch jedes Mal mit Moos und Gras neu aus — unabhängig davon, dass die Störche selbst dies ebenfalls tun. Die Leute dort achten zudem darauf, dass die Störche immer genug Futter in unmittelbarere Nähe finden und viele der Anwohner züchten deshalb Frösche und Fische und haben kleine Teiche in ihren Gärten angelegt. Auch lassen die Menschen dort keine Abfälle herumliegen, welchen die Störche dann bspw. für den Nestausbau benutzen könnten und an denen die Jungvögel ersticken. Und genauso sollte Tierschutz auch stattfinden: In ausgewählten Regionen, die den Bedingungen der Tier am ehesten gerecht werden, und mit Unterstützung von gewissenhaften Menschen, die sich ihrer Verantwortung bewusst sind!

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Störche sind Zugvögel, die ihren Nachwuchs nun mal nicht dort bekommen, wo sie heimisch sind. Das liegt in der Natur dieser Vögel. Leider sind die Zeiten, wo diese Vögel unbekümmert in ihre angestammten Brutregionen fliegen konnten, um dort ihre Jungen zu gebären, schon lange vorbei. Der Mensch hat es in den meisten dieser Region geschafft, dafür zu sorgen, dass die Vögel nicht mehr genug Nahrung finden und die zunehmenden Wetterphänomene tragen auch nicht dazu bei, dass die Überlebenschancen dieser Tiere steigen. Deshalb ist es auch sicherlich nicht verwerflich, wenn die Einwohner von Rühstädt die Störche bei der Nahrungssuche unterstützen. Außerdem ist dort das Klima auch um einiges besser als bspw. hier am Niederrhein. Störche ausgerechnet am Niederrhein anzusiedeln war und ist meinem Erachten nach keine gute Idee! Und dass jeder Idiot sich einfach eine Nesthilfe in seinem Garten aufstellen darf, ist es sicherlich auch nicht. Wer dies tut, übernimmt damit auch eine Verantwortung diesen Tieren ggü. Leider gibt es keinerlei Auflagen die man erfüllen muss, wenn man sich eine Nisthilfe baut/anschafft. Für alles braucht man in Deutschland eine Genehmigung, man darf ja auch nicht angeln gehen, wenn man keinen Angelschein hat! Wieso also ist es erlaubt, dass man sich einfach so eine Nisthilfe für Störche in den Garten stellt? Unsere Nachbarn, denen die Nisthilfe gehört in der Beppi und Thomas brüteten, interessiert das Schicksal der Störche jedenfalls nicht. Im Gegenteil. Wenn einer der beiden in dem riesigen Garten landete, in dem sich zudem auch noch ein künstlicher Teich mit Koi-Karpfen befindet, und die Nachbarn dies mitbekamen, dann wurde das Tier sofort verjagt. Dies führte im Übrigen ja auch dazu, dass das Storchenpaar, welches kurzzeitig letztes Jahr das Nest bewohnte, dann doch wieder weiterzog. (Damit wäre dann wohl auch erklärt, warum die Überschrift dieser Blog-Serie „Endlich nette Nachbarn“ hieß.)

Ich ertappe mich immer noch dabei, wie ich aus alter Gewohnheit fast jedes Mal zum Nest schaue, wenn ich an einem Fenster vorbeikomme. Heute und gestern Morgen saßen zwei Wildgänse auf dem Nest. Und ich habe dann auch doch noch den NABU in Kranenburg angerufen, weil ich gerne gewusst hätte, ob es eine Organisation oder einen Verein gibt, den man bspw. anrufen kann, wenn man sieht, dass Storchenbabys in Not sind. Auch hätte mich interessiert, ob es Informationen zu dem toten Storch gibt, der am vergangenen Dienstag zwischen den Leitplanken der Autobahnbaustelle lag. Einen Tag später war der Kadaver jedenfalls weg und ich nehme an, dass die Polizei oder aber die Bauarbeiter ihn entsorgt haben. Wenn der Vogel nämlich einen Ring trug, hätte man auch herausfinden können woher er ursprünglich kam und ich wäre mir auch ganz sicher gewesen, dass es sich dabei tatsächlich um Thomas gehandelt hat — den Thomas hatte definitiv einen Ring am Fuß. Außerdem hatte ich vielleicht gehofft, dass es dann jemanden interessiert hätte, dass dieser Storch ganz in der Nähe ein Nest hatte. Aber der Mitarbeiter des NABU wusste wenig bis gar nichts über Störche und meinte lediglich, dass es bestimmt Vereine gäbe, die Storchenbabys mit der Hand aufziehen würden, aber die Info dazu müsste ich mir schon selbst aus dem Internet besorgen. Über einen toten Storch an der Autobahn wusste er ebenfalls nichts, auch nicht, ob der Fund solcher Tiere überhaupt irgendwo gemeldet/registriert würde. Erneut wurde ich auf das Internet verwiesen. —Und da war sie wieder, diese typische von Gleichgültigkeit geprägte Mentalität, auf die ich auch immer wieder stoße, wenn ich bspw. eine Tierquälerei anzeigen möchte oder die Entsorgung von großen Mengen Hausmüll auf einem Acker.

Also habe ich noch einmal das Internet durchforstet und stieß schließlich noch auf zwei Homepages von  Privatpersonen zum Thema Störche am Niederrhein. Mit beiden Personen hatte ich mittlerweile telefonischen Kontakt. Ich habe jetzt die Adresse von einem Tierpark in Weeze, wo man kranke Störche oder auch Jungvögel ggf. per Hand versucht aufzuziehen und ich weiß jetzt, dass alle Störche bei der Vogelschutzwarte in Helgoland registriert sind – so weit möglich jedenfalls. Leider wusste man dort nichts über den toten Storch, der letzte Woche in der Baustelle auf der A3, kurz vor der Ausfahrt Rees in Fahrrichtung Oberhausen, gelegen hatte. Und leider wurde auch meine Befürchtung bestätigt, dass Beppi nächstes Jahr mit ihrem neuen Partner wahrscheinlich hierher zurückkommen wird. Sollte dies wirklich der Fall sein, so werde ich mir dann auf jeden Fall ein starkes Fernrohr leihen, um die Ringnummern in Erfahrung zu bringen und ich weiß jetzt auch, an wen ich mich wenden kann, wenn ich wieder beobachten sollte, dass beim Brüten etwas schief geht.

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Bildmaterial:
Titelfoto & Post (Blog) Fotos: Copyright by Kristine Weitzels

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