Diesmal eine Leseprobe aus meinem Buch: Schicksal mag Bestimmung sein – aber…
Diese Fallstudie mutet an, wie eine Erzählung aus 1000 und einer Nacht. Deshalb auch die dem entsprechende Kapitelüberschrift. Und genau, wie die Erzählungen aus 1000 und einer Nacht, ist auch diese Geschichte wunderschön und deshalb habe ich sie auch besonders detailliert ausgearbeitet. Natürlich ist sie dadurch sehr lang geworden — eher im Sinne einer Kurzgeschichte. Ich hoffe, sie gefällt Ihnen genauso gut wie mir.
Mein Klient kam dann in ein früheres Leben, dass er vor vielen tausend Jahren und lange vor unserer Zeitrechnung in einer Stadt verbrachte, die man in einen Berg hineingehauen hatte. Doch mein Klient erklärte sogleich, dass er diese Stadt kenne und vor einigen Jahren auch schon einmal besucht habe. Die Stadt heiße Petra und liege im heutigen Jordanien. Solche Kommentare, die während einer Rückführung schon mal aus dem Langzeitgedächtnis und der linken Gehirnhälfte meiner Klienten kommen und meist von Logik und Skepsis geprägt sind, ignoriere ich nie. Aber ich lasse mich dabei auch nie in eine Diskussion mit der Logik verstricken und deshalb ließ ich mich auch in diesem Fall nur insoweit auf diese Bemerkung ein, als dass ich meinen Klient fragte, ob die Stadt nun genauso aussähe, wie damals vor ein paar Jahren, als er sie besucht habe. Etwas verwundert antwortete er, nein, die Stadt sähe nun viel schärfer aus. Irgendwie nicht so von Wind abgetragen und außerdem sei sie nun bewohnt und voller Leben und Geräusche.
Als er sich dann auf seinen eigenen Körper dort konzentrierte, stellte er fest, dass er ein Junge, von vielleicht acht oder neun Jahren war. Er lebte in der Stadt, konnte sich aber nicht daran erinnern jemals Eltern gehabt zu haben und meinte, er lebe in einer der natürlichen Höhlen im Sandstein, zusammen mit anderen Kindern, die so wie er keine Eltern hätten. Trotz seiner eher misslich anmutenden Situation ging es ihm scheinbar jedoch sehr gut. Petra war eine wohlhabende Stadt, in der viel Handel betrieben wurde und täglich trafen Karawanen mit Waren ein, die sich auf der Durchreise zum Mittelmeer oder nach Ägypten befanden. Mein Klient erzählte, er verdiene sich seinen Lebensunterhalt mit Botengängen für die Händler oder Kameltreiber, die ihre Waren niemals aus den Augen ließen, obwohl auf Diebstahl die Todesstrafe stand. Er berichtete auch von der Vielzahl unterschiedlicher Völker, die nach Petra kamen und beschrieb alle Arten von Rassen. Am liebsten mochte er die hochgewachsenen Angehörigen einer stolzen Gruppe von Beduinen, die neben den schönsten und kräftigsten Kamelen auch edle Pferde mit sich führten und nie ohne ihre zur Jagt abgerichteten Falken auf Reisen gingen. In Acht nehmen musste sich mein Klienten hingegen vor den Ägyptern, die auch nicht davor zurückschreckten, Kinder zu entführen und als billige Arbeitskräfte in ihre Heimat zu verschleppen. Von Zeit zu Zeit kamen auch Wanderprediger vom Mittelmeer, afrikanische Schamanen oder asketisch anmutende, heilige Männer aus dem fernen Asien in die Stadt. Die einen boten ihre Dienste als Heiler oder Gesundmacher an und die anderen erzählten einfach nur ihre Geschichten, in der Hoffnung auf eine Mahlzeit. Bei so vielen verschiedenen Rassen und Völkern wunderte ich mich, wie es denn möglich war, dass alle sich untereinander verständigten und mein Klient antwortete, dass jeder Einwohner von Petra mehrere Sprachen spräche und noch mehr verschiedene Dialekte beherrsche. Petra war scheinbar eine sehr lebhafte und ‘gesprächige’ Stadt: Leute kamen und gingen und mein Klient sagte auch, dass viele der Reisenden ebenfalls mehrere Sprachen sprechen würden.
Ich hatte schon das Gefühl, dass mein Klient endlich ein wenig entspannte, als er plötzlich sagte, dass dort ein alter Mann sei, den er aus seinen Träumen kenne und ich spürte auch gleich sein Unbehagen dabei. Also versuchte ich ihn wieder zu beruhigen und erklärte, dass es ganz normal sei, dass Klienten bei ihrer Rückführung Personen oder auch Gegenden wahrnehmen würden, die sie schon aus ihren Träumen kannten und dass unsere Träume uns manchmal eben schon Bilder aus früheren Leben sandten, wie um uns mitzuteilen, dass es nun an der Zeit sei, sich damit auseinander zusetzten. Doch mein Klient schüttelte den Kopf und ich sah, wie er seine Hände, die auf der Decke lagen, für einen Moment zu Fäusten ballte, bevor er seine Hände wieder, wie unter einer großen körperlichen Anstrengung, öffnete und scheinbar ganz bewusst die Finger spreizte, bevor er seine Hände dann wieder ganz betont, mit weit geöffneten Fingern, auf die Decke zurücklegte. Ich wertete dies als gutes Zeichen, jedenfalls war mein Klient bemüht zu entspannen — was natürlich schon ein Paradoxum an sich ist. Wer sich um Entspannung bemühen muss verkrampft automatisch! Gleich darauf sagte mein Klient dann auch, es ginge nicht, nahm den Schal von seinen Augen und damit war seine erste Sitzung auch beendet.
Was meinen Klienten an diesem alten Mann, der ihm da in seinem früheren Leben begegnet war und den er scheinbar auch schon aus seinen Träumen kannte, so erschreckt hatte, wollte oder konnte er mir nicht sagen und er wollte auch nicht mit mir über das soeben Erlebte sprechen. Er meinte, er bräuchte nun erstmal Zeit zum Nachdenken und würde sich dann wieder melden.
Nie im Leben hätte ich damit gerechnet, dass er dies auch tatsächlich tun würde. Doch einige Monate später, rief er mich erneut an und da ich noch sehr oft an seinen überstürzten Abbruch der Rückführung hatte denken müssen, wusste ich auch sofort, wer er war. Er sagte, er hätte seitdem einiges geändert und er fühle sich nun freier. Er wollte gerne wissen, wie sein Leben in Petra damals endete und wenn dazu gehöre, sich auch mit diesem Mann (oder dieser Erscheinung, wie er es formulierte) auseinanderzusetzen, dann wäre er nun bereit dazu — ohne deshalb ein schlechtes Gewissen haben zu müssen. Irgendwie sprach er für mich in Rätseln, aber ein Telefonat bietet auch nicht die adäquate Voraussetzung, solche Dinge zu erklären oder zu klären. Allerdings hatte ich damals schon eine Wartezeit für Rückführungstermine von ca. drei Monaten und ich halte nichts davon, für irgendjemanden Ausnahmen zu machen. Aber der Mann erklärte, er wüsste, dass er auf seinen Termin warten müsse und es sei OK, er könne dem Ganzen nun viel gelassener entgegen sehen. Während wir sprachen hatte ich jedoch die ganze Zeit über das Gefühl, als entginge mir etwas — eine Chance und plötzlich wusste ich, was es war und zählte Eins und Eins zusammen: Vielleicht konnten wir uns ja gegenseitig helfen! Also fragte ich den Mann, ob er, bedingt durch seine jahrelange Tätigkeit im Ausland, nicht auch sehr gut Englisch sprechen müsste und er bejahte. Dann erzählte ich ihm von meiner Ausbildung bei diesem Institute, wo ich diese ganz spezielle Rückführungsmethode gelernt hatte, bei der man mit dem Klienten nicht nur in eines seiner früheren Leben reist, sondern auch in die geistige Welt. Ich erklärte ihm, dass ich mich gerne um eine Mitgliedschaft bei diesem Institute bewerben wollte, mir aber die geeigneten Probanden dazu fehlten, da alle Bewerbungsunterlagen auf Englisch eingereicht werden mussten, wozu unter anderem auch die akustischen Aufzeichnungen von Rückführungen, nach dieser speziellen Methode gehörten. Kein Problem, erwiderte der Mann und freute sich, dass wir uns so gegenseitig helfen konnten. Er bekam recht kurzfristig einen Termin bei mir und ich hatte einen Englischsprachigen Probanden für meine Bewerbung. Als ich ihm dann die Technik dieser Rückführungsmethode genauer erklärte, sagte er, dass sei genau das was er brauche, um sich mit der Erscheinung aus seiner ersten Rückführung auseinanderzusetzen und er habe das Gefühl, als ob dies alles kein Zufall sei. Mir ging es ähnlich.
Damals lag mir noch sehr viel an der Mitgliedschaft dieses Institutes. Die Ausbildung war wirklich sehr gut gewesen und ich profitiere seitdem bei meiner Arbeit, als Reinkarnationstherapeutin und Rückführungsbegleiterin, immer noch davon. Und so dachte ich, es sei ein gutes Aushängeschild, bezüglich meiner Qualifikationen und meiner Seriosität, wenn ich dort Mitglied würde. Und obwohl ich damals ziemlich unter Zeitdruck stand und jede freie Minute nutzte, den ersten Teil von ‘Erzählende Seelen’ zu Ende zu schreiben, stellte ich die Arbeit am Manuskript zurück, um Zeit für die ‘akustischen’ Probanden zu machen. Dazu muss ich erklären, dass die Rückführungen nach dieser speziellen Methode — oder Technik, immer über zwei Tage gehen: Bei der ersten Sitzung kehrt man mit dem Klienten in eines seiner früheren Leben zurück. Nach Möglichkeit immer in die letzte Inkarnation vor der jetzigen. Man besieht sich das frühere Leben dann bis zum Zeitpunkt kurz vor dem Tod, wo die erste Sitzung endet. In der zweiten Sitzung kehrt man dann direkt zum Zeitpunkt des Todes zurück und begleitete die Seele des Klienten, nach dem Tod seines damaligen menschlichen Wirtes, auf ihrer Reise zurück in die geistige Welt — dem eigentlichen Ziel bei dieser Rückführungsmethode. Und genau, wie bei einer herkömmlichen Rückführung auch, dauert so eine Sitzung eben auch so lange sie dauert: In der Regel 4-5 Stunden. Im Anschluss an die praktische Arbeit musste ich meine handschriftlichen Aufzeichnungen der Fallstudien natürlich auch noch schriftlich ausarbeiten und neben der akustischen Tonaufzeichnung auf CD, auch meine eigenen Gedanken und Erfahrungen dazu in Worte fassen und niederschreiben.
Einige Tage später kam nun dieser Mann erneut und ich war überrascht, wie authentisch seine Ausgeglichenheit diesmal wirkte und auch seine Hände waren nun ganz entspannt — wenn auch meist, wie zum Gebet gefaltet. Und diesmal erzählte mir auch die ganze Wahrheit: Zwar hatte er tatsächlich viele Jahrzehnte in den Entwicklungsländern dieser Erde verbracht und dort auch das Erbauen von Schulen beaufsichtigt oder selbst unterrichtet, jedoch genaugenommen nicht als Entwicklungshelfer, sondern Missionar und katholischer Priester. Mittlerweile war er jedoch von seinem Priesteramt zurückgetreten und fühlte sich gut mit seiner Entscheidung. Er sagte, er glaube immer noch an Gott und auch an Jesus Christus, aber er glaube auch an seine unsterbliche Seele im Sinne von Wiedergeburt und dass sei mit dem Glauben, so wie ihn die katholische Kirche praktiziere und auch von ihren Priestern erwarte, dass sie den Glauben verbreiteten, nicht zu vereinbaren. Dafür habe er Verständnis, auch wenn sein Bischof das anderes sehen würde. Er habe sich seine Entscheidung, sein Priesteramt niederzulegen, lange überlegt und letztendlich viel zu lange hinausgezögert, worüber er depressiv geworden wäre. Dass es ihm nun geistig wieder gut ginge, wäre ein Zeichen für ihn, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Trotzdem hatte er auch immer noch Bedenken, diesem alten Mann aus seinen Träumen und aus seiner ersten Rückführung wieder zu begegnen und ich wollte wissen, was ihn an der Vorstellung so beunruhigte. Mein Klient meinte, er habe das Gefühl, als sei dieser alte Mann ein Engel, sein Engel oder Schutzengel, und diese Vorstellung sei in den Augen der katholischen Kirche Blasphemie. Denn auch wenn er nun kein katholischer Priester mehr war, so hatte er doch sein ganzes Leben nach den Vorstellungen dieser Religion gelebt und viele dieser Glaubenssätze waren auch immer noch richtig für ihn. Dass, woran man über viele Jahrzehnte glaubte und dass man für gut und richtig hielt, kann man nicht einfach so abstreifen, wie eine alte Jacke, die einem zu klein geworden ist.
Ich bin nicht ganz so bewandert, was die Grundregeln und Glaubensätze der katholischen Kirche anbelangt und erklärte meine Unwissenheit. Aber dennoch wusste ich, dass es beispielsweise eine Nonne gab, die angeblich gleich mehrere Marienerscheinungen gehabt hatte und die später sogar heiliggesprochen wurde. Mein Klient nickte und sagte ich meine wohl die heilige Bernadette Soubirous, durch die Lourdes so berühmt geworden wäre. Wie auch immer, erwiderte ich. Jedenfalls war diese Frau auch nicht der Blasphemie bezichtigt worden. Doch mein Klient meinte, heute seien die Zeiten andere und ein Priester, der von einer Marien-, oder wie in seinem Falle Engelerscheinung berichte, würde eher aus der Kirche ausgeschlossen, als dass man ihm Glauben schenke. Zumal er seinen Engel ja auch nur in seinen Träumen oder Visionen sähe. Mir lag auf der Zunge, dass man ja in Bezug auf die Marienerscheinung auch nicht wusste, ob sie der jungen Frau nun leibhaftig oder bloß im Geiste erschienen war, aber ich sagte nichts. Mein Klient fuhr fort, dass er nun diejenigen verstehe, die sagten sie fühlten sich zu etwas berufen und die ihr Leben nach einer tiefgreifenden Erfahrung komplett umgekrempelt hätten. Der Tod dieses Mädchens auf Haiti und ihre Geisterscheinung waren für meinen Klienten eine solch tiefgreifende Erfahrung gewesen.
Bei dieser speziellen Rückführungsmethode soll man nach Möglichkeit immer versuchen, mit dem Klienten in seine letzte Inkarnation zurückzukehren, um von dort aus der Seele auch genau in die Zeitspanne in der geistigen Welt zu folgen, welche sie dort vor ihrer jetzige Inkarnation verbrachte. (Ich habe aber festgestellt, dass sich erstens immer genau das früheren Leben zeigt, welches noch den größten Bezug zum heutigen Leben eines Klienten hat — unabhängig davon, ob es sich dabei um die letzte Inkarnation handelt oder um eine die vielleicht schon Tausende von Jahren zurückliegt. Und zweitens scheint lineare Zeit außerhalb dieses Planten eh nicht zu existieren. Selbst wenn ein Klient bei seiner Rückführung in ein früheres Leben zurückkehrt, dass schon sehr lange zurückliegt und er seit dem schon viele, viele Male erneut inkarnierte, so kann ich im Anschluss an dieses frühere Leben doch mit ihm in die geistige Welt reisen und erfahren, was sich dort genau vor seiner heutigen Inkarnation zugetragen hat.)
So verhielt es sich beispielsweise auch mit diesem Klienten. Aber bevor es so weit war, kehrten wir erst noch einmal zurück in die Stadt Petra und mein Klient erlebte sich dort wieder im Körper dieses kleinen Jungen. Man kann sich dies tatsächlich so vorstellen, als ob man sich geistig in einen virtuellen Avatar begibt. Mein Klient war von seinen Wahrnehmungen her nun nicht mehr der disziplinierte, asketische Mann von Ende fünfzig, sondern ein kleiner, aufgeweckter und quirliger Junge, der irgendwann einmal, vor vielleicht 3000 Jahren oder länger, auf dem asiatischen Kontinent, zwischen dem Golf von Akaba und dem Toten Meer und unweit des Mittelmeeres gelebt hatte…
Der alte Mann, von dem mein Klient in seiner ersten Rückführung gesprochen hatte, und welcher ihm auch schon in seinen Träumen erschienen war, war ein Wanderprediger. Er erzählte Geschichten, in der Hoffnung auf einen Schlafplatz und eine Mahlzeit. Viele dieser Wanderprediger kamen mehr oder weniger regelmäßig nach Petra und die Bürger der Stadt nutzen die Gelegenheit, so etwas über die Ereignisse außerhalb ihrer Stadtmauern zu erfahren. Nicht selten erfuhren sie so auch von Überfällen, Kriegen, Seuchen oder Naturkatastrophen und auch von bizarr anmutenden Bauwerken, die in anderen Teilen fern ab ihrer eigenen Welt entstanden.
Für gewöhnlich erzählten diese Wanderprediger ihre Erlebnisse frei aus dem Gedächtnis heraus, doch meinem Klienten, der nun wieder der kleine Junge war, viel auf, dass dieser alte Mann beim Erzählen nicht immer die anwesenden Zuhörer ansah, sondern dass sein Blick immer wieder auf eine Tafel viel. Von diesen Tafeln besaß der Mann gleich mehrere, wovon wiederum einige auch mit Schnüren irgendwie verbunden waren. Diese Tafeln nun weckten das Interesse meines Klienten. Nachdem der alte Mann schließlich mit seinen Erzählungen und Berichterstattungen geendet hatte, erklärte sich mein Klient bereit, für ihn bei den Umstehenden seinen Lohn, meist etwas Essbares oder ein Stück Salz, einzusammeln. Hierzu bekam er von dem alten Mann eine kleine Schale aus Ton mit einem Henkel und aus seinem logischen Verstand heraus sagte mein Klient dazu, diese sähe aus, wie eine große Tasse, nur wesentlich gröber und dicker in der Herstellung. Als der Junge, den mein Klient dort nun jedoch wieder verkörperte, wunderte er sich sehr über dieses kleine Gefäß aus Ton und erklärte, er selbst besäße lediglich eine Schale aus Holz.
Nachdem er den Lohn, für die Berichte und Erzählungen des alten Mannes, eingesammelt hatte, konnte mein Klient schließlich auch einen Blick auf diese merkwürdigen Tafeln erhaschen und sah, dass sie mit Strichen und Linien vollgeritzt waren. Wieder meldete sich die logische, linke Gehirnhälfte meines Klienten zu Wort und meinte, dass es sich dabei wohl um eine Form von Keilschrift handele. Die Tafeln selbst bestanden, wie auch das Gefäß des Alten, aus Ton. Neugierig fragte mein Klient den alten Mann, was es mit diesen Tafeln auf sich habe und der Mann antwortete, er sei schon alt und sein Gedächtnis nicht mehr das Beste. Damit er aber nicht alles, was er während seinen Reisen so erlebte wieder vergaß, würde er das was wichtig war auf diesen Tafeln vermerken. Mein Klient begriff zuerst nicht, was der alte Mann ihm da sagte. Doch dann zeigte der alte Mann auf einen Ägypter, der ein spezielles Amulett trug und fragte meinen Klienten, was ihm das Amulett über diesen Ägypter sagen würde und mein Klient begriff: An Hand der verschiedenen Symbole auf den Amuletten der Ägypter, konnte man ihren Rang und beispielsweise auch ihre Herkunft erkennen. Ähnlich verhielt es sich mit den Symbolen auf den Tafeln; verschiedene Symbole bedeuteten verschiedene Ereignisse.
Mein Klient betrachtete nun die Symbole auf den Tafeln genauer und erkannte, dass es unzählig viele dieser Symbole gab, die alle aus unterschiedlichen Strichen bestanden. Er fragte den alten Mann, wie er sich all diese Symbole merken könnte und ob es nicht doch einfacher sei, einfach die Ereignisse selbst zu behalten, anstatt sich erst all diese verschiedenen Bedeutungen der einzelnen Symbole einzuprägen! Der alte Mann lachte und antwortete, dass er genau dieselbe Frage vor vielen Jahren einmal seinem Lehrer gestellt habe, der ihn das Schreiben lehrte. Gedankenversunken fügte der alte Mann hinzu, diese Zeit habe er im Paradies verbracht und er könne sich noch an jeden einzelnen Tag, den er dort, in seiner Jugend, verbracht habe erinnern — wohingegen es ihm zunehmend schwerer viele, sich daran zu erinnern, was er gestern getan habe!
Einer scheinbaren Intuition folgend, bot der alte Mann dem Jungen an, ihm einige der Schriftzeichen beizubringen, wenn er als Gegenleistung auch weiterhin seinen Lohn einsammeln würde. Der alte Mann meinte dazu, dass in letzter Zeit nicht nur sein Gedächtnis merklich nachließe, sondern auch seine Beweglichkeit und mein Klient war einverstanden.
Petra war eine sandige Stadt und der Mann malte die meisten Schriftzeichen für meinen Klienten in den Sand. Schnell begriff dieser, dass hinter den Kombinationen der einzelnen Striche so etwas wie ein tieferer symbolischer Sinn für ein Geschehen oder die Bedeutung für Etwas standen. Und wenn man erst einmal die Funktion der einzelnen Striche kannte, die sowohl für Sprachlaute, als auch für Gegenstände stehen konnten, war es auch relativ einfach, die damit verbundenen Bedeutungen nachzuvollziehen. Ein viel größeres Problem stellte die Beschaffung der Schreibtafeln dar. Die meisten der beschrifteten Tafeln bestanden aus Ton, einige jedoch aus Kalkstein. Die Stadt Petra selbst bestand aus einem ähnlichen, weichen Stein, wie die Kalksteintafeln des alten Mannes und eine weitere Aufgabe meines Klienten wurde es, aus dem weichen Stein der Berge von Petra auch neue Schreibtafeln herauszuhauen und zu bearbeiten. Hierfür bekam er von dem alten Mann Hammer und Meißel. Doch der Stein von Petra war nicht so gut geeignet und beim Eindrücken der verschiedenen Keilschrift-Striche mit einem Keil, bröselte der Stein oder die Striche ließen sich zu einfach wieder abschaben. Am besten waren die Tafel aus Ton, welche der alte Mann mitgebracht hatte und er erzählte, diese stammen aus einem fremden Land, dass das Zweistromland genannt wurde.
Auch ich wusste, dass damit das frühere Mesopotamien (heute Irak), das zwischen den Flüssen Euphrat und Tigris liegt, gemeint war — im Laufe der Zeit wird aus einem guten Rückführungsbegleiter eben auch immer ein guter Historiker und Geschichtskundler. Dort hatte der alte Mann auch, als er selbst nicht viel älter war, als mein Klient damals, das Schreiben der Keilschrift erlernt und trug seitdem sein Wissen hinaus in die Welt. Er sagte, dies sei sein Dank. Gleichzeitig suchte er aber auch nach Materialen, die sich besser zum Beschriften eigneten, als die schweren und bruchempfindlichen Schreibtafeln aus Kalkstein oder Ton. Zwar gab es gebleichte Baumwolle und Farbe, aber diese Dinge waren viel zu teuer und kostbar, als dass man sie zum Schreiben hätte verwenden können.
Die Tage vergingen und es wurde Zeit für den alten Mann weiterzuziehen. Mein Klient wusste nicht, was er tun sollte; einerseits wollte er gerne lesen und schreiben lernen, andererseits hatte er auch Bedenken, sein gewohntes Umfeld zu verlassen. Noch nie im Leben hatte er sich nämlich aus der Stadt Petra und den Felsen, in die man die Stadt hineingehauen hatte entfernt. Die Entscheidung liegt bei dir, sagte der alte Mann, am Abend bevor er aufbrechen wollte. Mein Klient berichtete daraufhin, dass er die ganze Nacht kein Auge zu getan habe, doch früh am nächsten Morgen habe seine Entscheidung, den alten Mann zu begleiten, festgestanden. In Windeseile war er noch vor Sonnenaufgang zu dem Platz gelaufen, wo der Mann sein Lager aufgeschlagen hatte, doch als er dort ankam sah er, dass der alte Mann über Nacht gestorben war. Scheinbar hatte er ihm jedoch eine Nachricht hinterlassen, denn auf seiner leblosen Brust ruhte eine der Schreibtafeln aus Kalkstein. Darauf erblickte mein Klient nun die Zeichen für ‘männliches Kind’, ‘Bewegung’, ‘Reichtum’ und ‘Vergangenheit’, welche zusammen ein Symbol bildeten.
Mein Klient erklärte mir, dass der alten Mann ihn gelehrt habe, das viele Zeichen gleich mehrere, meist verwandte Bedeutungen hatten. So bedeutete das Zeichen für Bewegung unter anderem auch Reisen, Reichtum war gleichbedeutend mit Wissen und Vergangenheit konnte auch zurück oder Rückkehr bedeuten. Mit männliches Kind war wohl mein Klient selbst gemeint und so schlussfolgerte er, dass die Botschaft lautete: Trage das Wissen zurück. Darunter befand sich jedoch noch ein Symbol, doch die Anordnung der einzelnen Striche darin ergab für meinen Klienten keinen Sinn. Als der kleine Junge, der mein Klient damals gewesen war und dessen Energien mein Klient nun deutlich wieder spürte, war er verzweifelt; wohin sollte er das Wissen, womit sicherlich die Aufzeichnungen auf den Tontafeln des Alten gemeint waren, zurück bringen? Wie sollte er dieser Aufgabe gerecht werden, zumal er auch die Keilschrift noch lange nicht vollständig beherrschte.
Während der Junge noch nachdachte, ging am Horizont die Sonne auf. Mein Klient berichtete nun, wie er sich von dem alten Mann verabschiedete und meinte er habe einen Entschluss gefasst. Er nahm einen der Keile zum gravieren der Schreibtafeln und so viele der aneinander gebundenen Tontafeln, wie er tragen konnte, inklusive der Kalksteintafel mit der letzten Botschaft des alten Mannes an sich und schloss sich noch am selben Tage einer Karawane mit Beduinen an, die in Richtung Osten zog. Zwar hatte der Alte auch einen Maulesel besessen, aber mein Klient erzählte, er habe Angst des Diebstahls bezichtigt zu werden. Auf Diebstahl stand der Tod, auch für Kinder und deshalb hatte er auch nur das an sich genommen, wovon er überzeugt war, das niemand es vermissen würde. Ich fragte meinen Klienten, wohin genau er denn reisen wolle. Er antwortete, er sei auf der Suche nach jemandem, der ihm das letzte Symbol erklären könnte oder wüsste, wie der Ort hieße, an dem der alte Mann, vor so langer Zeit, selbst das Lesen und Schreiben erlernt hatte. Mein Klient war sich sicher, dass dies auch der Ort war, wohin er die Aufzeichnungen des alten Mannes zurückbringen sollte. Außerdem hoffte er darauf, dass man ihn dort vielleicht ebenfalls weiterunterrichten würde.
Die Reise war lange und beschwerlich. Immer wenn die Karawane in eine Stadt oder Oase kam, zeigte mein Klient die Kalksteintafel herum, in der Hoffnung jemanden zu finden, der die Keilschrift ebenfalls beherrschte und ihm sagen konnte, was das letzte Symbol darauf bedeutete. Tatsächlich war es so, dass je weiter er gen Osten zog, er auch auf immer mehr Menschen stieß, die tatsächlich lesen und schreiben konnte. Es waren nicht viele, aber immerhin einige — nur das leider niemand von ihnen dieses eine, spezielle Symbol interpretieren konnte. Scheinbar ergab es einfach keinen Sinn. Auch stellte mein Klient etwas resigniert fest, dass es wohl unterschiedliche Formen der Keilschrift gab und die Anordnung der einzelnen Striche, so wie er sie gelernt hatte, in anderen Gegenden auch durchaus teilweise andere Bedeutungen haben konnten. Er reiste immer noch mit den Beduinen, denn bei ihnen fühlte er sich sicher. Doch er wusste auch, dass diese Beduinen immer vorgeschriebenen Handelsrouten folgten und irgendwann würde sie ihr Weg wieder zurück nach Petra bringen — jedoch lag sein Ziel, der Ort wo der alte Mann einst die Keilschrift erlernte, scheinbar nicht auf der Route dieser Karawane.
Eines Abends, die Karawane war gerade in einer großen Oase, mit sehr vielen Menschen angekommen und mein Klient half bei der Versorgung der Kamele, kam der Karawanenführer zu ihm und forderte ihn auf, ihm die Kalksteintafel mit der Botschaft darauf zu zeigen. Mein Klient befürchtete der Mann könnte sie ihm wegnehmen, doch er tat wie geheißen. Der Karawanenführer besah sich die Tafel einen Moment, ohne sie jedoch selbst in die Hände zu nehmen, so als erahne er die Angst des Jungen und dann sagte er folgendes: >Ich verstehe zwar nicht, was diese Striche bedeuten, aber die letzten Striche hier unten sind das Symbol einer nicht allzu weit entfernten Stadt namens Kisch. Diese liegt im Zweistromland und wird auch als das Paradies bezeichnet.<
Mein Klient erinnerte sich nun daran, dass auch der alte Mann dieses Land einmal erwähnt hatte und wollte wissen, wie er dort hinkäme. Der Karawanenführer antwortete, er sei mit der Arbeit des Jungen immer sehr zufrieden gewesen. Er sei ehrlich und fleißig und deshalb wolle er ihm helfen. Am nächsten Tag brachte der Karawanenführer den Jungen dann zu einem anderen Beduinen und sagte, dies sei sein Großneffe, der Junge könne ihm vertrauen und wenn er ihm dieselben Dienste erweise, wie er sie ihm erwiesen habe, dann würde sein Großneffe ihn bis an die Palastmauern des Stadthalters von Kisch führen.
So gelangte mein Klient in eine Stadt namens Kisch und berichtete von riesigen freistehenden Bauwerken, Tempeln und Palästen, wie er sie noch nie zuvor gesehen hatte. Jeder Mann dort schien reich zu sein und mein Klient berichtete voll des Erstaunens, dass hier selbst die Kinder aus diesen Tongefäßen mit einem Henkel daran tranken. Ich fragte, was genau ihn daran so verwundere und er antwortete, dass Tongefäße in seiner Heimat etwas sehr kostbares waren und wenn eine Familie überhaupt so ein Gefäß besaß, dann höchstens eins. Hier besaßen alle Familien gleich eine ganze Sammlung dieser Tongefäße und er berichtete von Ständen, wo man alle Arten und Formen dieser Gefäße kaufen konnte. Ganz besonders faszinierten ihn dabei solche Gefäße, die auch einen oder gleich zwei Henkel hatten! Außerdem erzählte mein Klient freudig, dass auf vielen dieser Gefäße auch die Schriftsymbole eingraviert seien, so, wie ihn der alte Mann sie ihn gelehrt habe und somit wuchs seine Hoffnung hier richtig zu sein.
Obwohl er der Sprache dieses Landes nicht mächtig war, dauerte es nicht lange und er hatte herausgefunden, dass es nur ein kurzer Fußmarsch von Sonnenaufgang bis Sonnenhöchststand, zu dem Ort war, wo die heiligen Männer lebten, welche die Keilschrift lehrten. Auch die heiligen Männer lebten in einem palastartigen Gemäuer das allerdings von einer hohen Mauer umgeben war. Nur die Dächer dieses Palastes überragten an einigen Stellen die Mauer und aus dem was mein Klient erblicken konnte, schloss er, dass der Palast, der sich hinter diesen Mauern verbarg, einfach riesig groß sein musste. Mein Klient — oder der kleine Junge — erstarrte in Ehrfurcht. Aufgeregt berichtet mein Klient, dass auf dem Tor in der Mauer das letzte Symbol prangte, welches der alte Mann auch auf die Tafel mit der Botschaft geritzt hatte und er wusste, dass er nun endlich am Ziel war. Doch als er an das Tor klopfte, ließen die heiligen Männer ihn nicht hinein und wollten ihn noch nicht einmal anhören. Als er daraufhin immer wieder anklopfte und um Einlass bat, schüttete man schließlich sogar Urin und Abfälle, von oben auf der Mauer, auf ihn hinab.
Aber der Junge ließ sich nicht abwimmeln und verharrte mehrere Wochen vor den Toren des Palastes. Er ernährte sich unter anderem von den Abfällen, die achtlos an einem hinteren Bereich der Palastmauer einfach hinüber geworfen wurden und außer ihm bedienten sich dort auch regelmäßig Wildschweine, wie mein Klient mir berichtete. Schnell hatte er den Palastalltag durchschaut und herausgefunden, dass es dort scheinbar so etwas, wie einen Ruhetag gab, an dem nicht gearbeitet, dafür aber viel gesungen wurde. Etwas, dass für den Jungen dort, den mein Klient nun verkörperte, ebenfalls neu war. Es gab einen Ablauf von sechs Tagen, an denen jeden Morgen, lange vor Sonnenaufgang, junge Männer in erdfarbenen, einfachen Gewändern und kahlgeschorenen Köpfen, den Palast verließen. Sie führten mehrere Maulesel mit sich und kehrten kurz bevor die Sonne den Zenit erreichte und die Hitze schier unerträglich wurde, zum Palast zurück. Dabei waren ihre Maulesel jedes Mal schwer beladen, doch was sich in den Flechtkörben, welche die Tiere trugen befand, konnte mein Klient nicht erkennen. Er überlegte auch, ob er den Männern mit ihren Maultieren nicht einmal heimlich folgen sollte, überlegte es sich dann aber wieder anderes. Er war gekommen, um Einlass in diese Mauern zu erhalten und würde solange vor dem Tor ausharren, bis man sich schließlich seiner erbarmte!
Ab und zu kamen auch Händler im Schatten der untergehenden Sonne und boten ihre Waren vor den Toren des Palastes an. Dann kamen dieselben jungen Männer aus dem Palast herbei, kauften ein und bezahlten mit Silberstücken. Manchmal kamen auch Sänften, welche von Sklaven getragen wurden. Diese Sänften und ihre Träger waren, soweit mein Klient dies beurteilen konnte, die Einzigen, die je Zugang ins Innere der Palastmauern bekommen hatten. Mein Klient berichtete auch, dass er selbst mehrmals versucht hatte Gehör zu finden, wenn einer der Palastbewohner hinauskam, doch er wurde schlichtweg ignoriert. Außerdem wurde das Tor auch immer bewacht, wenn die Sänften kamen und somit war es ihm auch nicht möglich, sich einfach hineinzustehlen. Auf meine diesbezügliche Frage hin, ob mein Klient den wisse, wer in den Sänften säße, schüttelte dieser jedoch nur den Kopf. Ihn plagten zurzeit ganz andere Sorgen. Hatte er bei seiner Ankunft noch voll Enthusiasmus darauf vertraut, dass er nur lange genug vor den Toren des Palastes ausharren musste, bis man ihn endlich hineinließe, so gelangte er nun zunehmend zu der Überzeugung, dass dem nicht so sein würde. Er lebte nun schon so lange hier draußen, dass der Mond in der Zwischenzeit zweimal zu voller Größe angewachsen war und bald näherte sich der Zeitpunkt, wo der Mond sich ein drittes Mal rundete. Mein Klient sagte, er habe beschlossen sich auf den Heimweg zu machen, sobald der Mond sich ein weiteres Mal ganz gefüllt habe. Außerdem hatte er angefangen sich vor den Händlern zu verstecken, da einige versucht hatten, ihn mit süßem Honig zu locken. Wohlmöglich um ihn einzufangen und ihn dann als Sklaven zu verkaufen. Auch in Petra hatte er sich aus denselben Gründen immer wieder vor den Ägyptern in Acht nehmen müssen und deshalb hatte sein Instinkt ihn auch in dieser Situation noch rechtzeitig gewarnt.
Dann kam der Abend an dem der Mond sich zum dritten Male füllte und mein Klient meinte, dass er am nächsten Morgen die Heimreise antreten würde. Er überlegte, was er mit den Tontafeln machen sollte, die er so weit getragen hatte und beschloss, sie gleich früh am nächsten Morgen am Haupttor des Palastes niederzulegen. Er hatte das Wissen so weit getragen, wie es ihm möglich war und weiter ging eben nicht.
Als er jedoch früh am nächsten Morgen zum Tor hinüberging, öffnete sich dieses — gerade in dem Moment, als er die Bücher aus Tontafeln dort ablegen wollte und ein alter Mann erschien. Im ersten Augenblick dachte mein Klient, es handele sich dabei um seinen alten Mann, doch dann erkannte er die äußerlichen Unterschiede. Der Mann lächelte ihn an und fragte den Jungen, ob er den weiten Weg, aus der Stadt in den Sandsteinbergen bis hierher gemacht habe, um nun unverrichteter Dinge wieder dorthin zurückzukehren. Dabei sprach der Mann die Sprache des Jungen und der Junge wurde ein wenig ärgerlich. Wenn die Einwohner des Palastes ihn die ganze Zeit über verstanden hatten, als er so vehement anklopfte und um Einlass bat — warum hatten sie ihn dann nicht erhört?
>Wusstest du nicht, dass jeder der Einlass begehrt drei Monde lang anklopfen muss<, fragte ihn der Mann und der Junge schüttelte seinen Kopf. >So wollen wir sicher gehen, dass es denen, die Einlass begehren, auch ernst ist. Bei uns bist du sicher und wir werden dich lehren, weshalb zu lernen du gekommen bist. Aber du wirst auch andere, schwere Arbeiten verrichten müssen<.
Mein Klient konnte sich denken, worum es sich dabei handelte und dachte an die jungen Männer, die sechs Tage hintereinander, lange vor Morgengrauen, den Palast verließen — aber er dachte auch an die Gesänge und das Gelächter am siebten Tag und so war er einverstanden. Endlich trat er durch das Tor ins Innere des riesigen Anwesens. Er erblickte blühende Gärten, die durch ein Bewässerungssystem aus Bambus mit Wasser aus einem Brunnen gespeist wurden. Unermüdliche liefen Maulesel im Kreis um den Brunnen und pumpten so das Wasser herauf. Der Palast selbst war riesig und in seinem Inneren war es so früh am Morgen fast unangenehm kalt. Aber mein Klient konnte sich vorstellen, dass es sich selbst in der schrecklichsten Mittagshitze hier drin noch sehr gut aushalten ließ.
Innerhalb dieser Mauern und im Palast lebten nur Männer. Das einzige Geräusch das die Stille dort durchdrang, war das Summen der Honigbienen und das Gezwitscher der zahlreichen Kanarienvögel. Der Junge wurde gebadet, sein Kopf geschoren und von den Läusen befreit, die mittlerweile schier unerträglich geworden waren, wie mein Klient zugab. Er erhielt frische, duftende Kleider, seine erste richtige, warme Mahlzeit seit langem und ein erfrischendes Getränk aus Kräutern, dass mit Honig gesüßt wurde. So war es auch nicht verwunderlich, dass mein Klient erklärte, er hätte hier in der Tat das Paradies gefunden.
Alle Bewohner hatten ihre festen Aufgaben und der Tagesablauf unterlag ebenfalls festen Regeln. Schon ganz früh am Morgen ertönte ein leiser Gong und rief die Bewohner aus ihren Betten. Die jüngeren Bewohner, unter ihnen war nun auch mein Klient, als Jüngster von allen, hüllten sich in die erdbraunen Gewänder und mein Klient erkannte nun, dass die Farbe von den Tonresten herrührte, die im Gewebe ihre Spuren hinterlassen hatten. Dann verließen sie mit den Mauleseln die Palastmauern und begaben sich auf den Weg zu einer Abbaustelle für Ton. Hier wurde in den kalten Morgenstunden Ton gestochen und nun wusste mein Klient auch, was sich bei der Rückkehr der jungen Männer immer in den Körben der Maulesel befunden hatte. Im Palast wurden die Tonblöcke sogleich an besonders kühle Orte, weit im Inneren des Palastes gebracht und mein Klient lernte, wie man aus den Tonblöcken die Tafeln formte, die dann später als Schreibtafeln dienten. Nach einem Bad und einer Mahlzeit verschliefen die Männer zumeist die heiße Mittagszeit und erst am späten Nachmittag, wenn die Hitze wieder nachließ, begann der eigentliche Unterricht; das Erlernen der Keilschrift. Hierzu wurden ebenfalls Tontafeln benutzt, allerdings handelte es sich hierbei um gebrannte Tafeln, die abwaschbar waren und mit Kreide beschrieben wurden. Aber mein Klient wurde dort nicht nur in Keilschrift unterrichtet, sondern lernte auch verschiedene Sprachen, Pflanzen- und Geneskunde und vieles mehr. Es gab Räume im Palast, die vollgestellt waren mit Tontafeln, die größtenteils mittels Tau oder Metall-Scharnieren zu richtigen Büchern zusammengebunden worden waren. Bei all den Büchern handelte es sich um Aufzeichnungen früherer Bewohner des Palastes, die in die Welt hinausgezogen waren, ihr Wissen zu verbreiten, neuen Wissen zu erlernen und aufzuschreiben und in geschriebener Form wieder zum Palast zurück zu bringen.
Auch die Tontafeln des alten Mannes befanden sich nun hier und einer der älteren Männer hatte sogleich damit begonnen, diese Tafeln zu vervielfältigen. Aber erst wenn man in der Keilschrift sehr geübt war, alle bekannten Sprachen fließend beherrschte und auch die verschiedenen Bedeutungen der einzelnen Schriftsymbole richtig zu interpretieren wusste, durfte man selbst mit der Vervielfältigung der Schrifttafeln beginnen. Hierzu wurden die frisch gefertigten Tontafeln genommen. Einmal beschriftet, wurden sie anschließend in der Sonnen solange getrocknet, bis dass sie ausgehärtet waren. Doch das Beschriften dieser Tafeln war vorrangig die Aufgabe der älteren Bewohner, die wegen ihres umfangreichen Wissens auch als heilige Männer bezeichnet wurden. Von meinem Klienten und den anderen jungen Männern wurde unterdessen erwartet, dass sie, sobald sie alles gelernt hatten, was die heiligen Männer sie lehren konnten, hinauszogen in die Welt, um ihr Wissen zu verbreiten und neues Wissen, als geschriebenes Wort, auf Tontafeln festgehalten, zurückzubringen. Ich wollte wissen, warum das zurückgebrachte Wissen auf den Tontafeln vervielfältigt wurde und mein Klient erzählte, dass dieses Wissen verkauft wurde. Einmal im Monat kam der Stadthalter von Kisch in seiner Sänfte und kaufte viele der Tontafeln, um sie anderen Ortes wieder weiterzuverkaufen.
So vergingen die Jahre und der Junge, der mein Klient einst gewesen war, wuchs zu einem sehr gebildeten, jungen Mann heran. Eines Tages wurde es Zeit, dass er die Palastmauern wieder verließ und in die Welt hinauszog. Über die Jahre besuchte er alle Orte der bewohnten Welt und verbreitete sein Wissen, immer auf der Suche nach neuem Wissen, dass er auf seinen Schrifttafeln festhielt. Wie auch schon der alte Mann, machte er es sich ebenfalls zu seiner Aufgabe, nach alternativen Materialien, die sich zum Beschriften eigneten zu suchen und erzählte von einem natürlichen Material, welches die Ägypter verwendeten und dass sie Papyrus nannten. Allerdings hielten die Ägypter die Herstellung dieses Papyrus streng geheim, was mein Klient nicht verstehen konnte, da er selbst gelernt hatte, dass Wissen dazu dient verbreitet zu werden. Immer wieder, zwischen den Jahren seiner Wanderschaft, kehrte er nach Hause ins Paradies zurück, so wie der Palast auch tatsächlich hieß: Das Paradies. Neben seinen schriftlichen Aufzeichnungen, brachte er manchmal auch neue Pflanzen und Tiere mit, so wie einst einer seiner Palastbrüder einmal die Kanarienvögel aus einem fernen Land mitgebracht hatte und die sich nun stetig vermehrten.
Das Leben meines Klienten dort war sehr erfüllt, auch wenn er nie eine Familie gründete. Als er zu alt wurde, um noch auf Wanderschaft zu gehen, bekam er einen Platz im Palast und dankte den Göttern dafür, dass seine Augen immer noch so gut waren, dass er immer noch an der Vervielfältigung der Tontafeln mitarbeiten konnte. Auch unterrichtete er nun die neuen, jungen Schüler und diese Arbeit erfüllte ihn bis ins hohe Alter.
Hier endete diese Rückführung und ich war von den detaillierten Schilderungen meines Klienten genauso ergriffen, wie er. Er konnte nicht nur sehr gut visualisieren und sich dabei gleichzeitig auf seine Gefühle konzentrieren, sondern besaß auch ein ausgesprochenes Talent dafür, alles was er wahrnahm explizit zu beschreiben. Wodurch diese Rückführung natürlich auch besonders lange gedauert hatte. Ich wusste, dass er schon viel von der Welt gesehen hatte und dass ihm auch im heutigen Leben die Stadt Petra nicht fremd war. Im Gegensatz zu seinen Schilderungen aus dem früheren Leben, war die Stadt heute allerdings unbewohnt und eine Touristenattraktion. Und auch wenn einige der in den Fels gehauenen Bauwerke in Petra immer noch sehr gut erhalten zu sein schienen, so erklärte mein Klient doch, dass in seiner Wahrnehmung aus diesem früheren Leben, die Stadt doch irgendwie ‘neu’ ausgesehen habe. Im Gegensatz zu der Stadt Petra, hatte mein Klient den Irak im heutigen Leben jedoch nie besucht und er hatte sich auch nie mit der Keilschrift oder der Herstellung von Tontafeln beschäftigt. Was er vor seiner Rückführung darüber gewusst hatte, war nicht mehr gewesen als dass, was jeder Mensch mit einer guten Allgemeinbildung darüber hätte wissen können.
Die Rückführung war so spannend und aufschlussreich gewesen, dass ich vergessen hatte, meinen Klient während der Rückführung nach seinem damaligen Namen zu fragen und versprach, dies auf jeden Fall bei der zweiten Sitzung nachzuholen. Doch mein Klient erwiderte, er habe so dass Gefühl, als sei er damals namenlos aufgewachsen, vielleicht weil er auch nie Eltern gehabt habe — jedenfalls keine, an die er sich hatte erinnern können und dieser Aspekt schien auch keine Wichtigkeit zu haben, ebenso wenig wie die Namensfindung. Etwas anderes, dass ich nach der Rückführung noch ansprach, war sein damaliger Glaube. So hatte mein Klient gesagt, er danke den Göttern, dass er auch im Alter noch so gut hatte sehen können und ich fragte ihn, welche Götter er denn genau damit gemeint habe. Mein Klient musste daraufhin herzhaft lachen und es war eigentlich das erste Mal, dass er dies tat. Dann antwortete er, dass er das Gefühl gehabt habe, als habe er dort nie einer speziellen Glaubensrichtung angehört — weder als kleiner Junge in Petra, noch später. Er sagte, es sei eher so gewesen, dass man damals für alle möglichen Dinge einen Gott gehabt habe, zu dem man hätte sprechen können. Ich wusste nicht, ob er dies nun aus seiner Wahrnehmung aus der Rückführung heraus schlussfolgerte oder ob dies eine Aussage war, die er aus den Geschichtsbüchern her kannte. Aber ich beließ es dabei, da auch mein Klient es dabei beließ. Nach dieser Rückführung wirkte mein Klient jedenfalls sehr gelöst und — irgendwie auch ein Stück weit befreit.
Einen Tag später kehrten wir, in einer weiteren Rückführung, wieder in ‘das Paradies’ zurück: Mein Klient starb während der Beschriftung einer Tontafel, ähnlich wie auch der alte Mann in Petra damals gestorben war. Sein Herz hatte einfach aufgehört zu schlagen. Einer der jungen Männer, nicht viel älter als er selbst damals gewesen war, als er ins Paradies kam, fand ihn und verständigte einen der älteren ‘heiligen Männer’. Nach dem körperlichen Tod blieb die Seele meines Klienten jedoch im Palast und wohnte auch dem eigenen Begräbnis bei. In ein weißes Leinentuch gewickelt, wurde sein Leichnam einen Tag nach seinem Tod, innerhalb der Palastmauern, der Erde übergeben. Bis dahin hatte man ihn weit im Inneren des riesigen Palastes aufgebahrt. Ganz in der Nähe wurden auch die frischen Tontafeln gelagert und dort war es immer angenehm kühl. Der Leichnam meines Klienten wurde gewaschen und mit einem duftenden Öl eingerieben. Dann wurde er aufgebahrt und alle Palastbewohner kamen, sich von ihm zu verabschieden. Nachts hielt einer der älteren Männer Wache und las ihm seine Lieblingsgeschichten vor, während die Seele meines Klienten in Form eines Geistes, vor dem Erzähler auf dem Boden hockte und lauschte. Mein Klient berichtete, er habe sich dabei wieder als der kleine Junge gefühlt, der er einst vor vielen Jahren gewesen war, als er hierhergekommen war. Auch damals hatte er Abends immer gerne zu den Füssen der älteren Männer gesessen und deren Erzählungen gelauscht. Erzählungen, die andere Männer zuvor von ihren Reisen mitgebracht hatten.
Mein Klient sagte, er wolle nicht ins Licht. Er könne es sehen, aber er fühle sich schon im Paradies — warum es also verlassen? So blieb er auch nach seiner Beerdigung, als Geistwesen, in den Palastmauern, verbrachte die Morgenstunden in den Gärten und wartete darauf, dass am späten Nachmittag der Unterricht für die Schüler begann. Dann gesellte er sich zu ihnen und verfolgte den Unterricht. Immer noch trafen neue Berichte aus immer weiter entfernten Regionen der Erde ein und mein Klient berichtete, wie eines Tages einer der heiligen Männer von einer Reise zurückgekommen sei und einen Geparden mitbrachte. Einige der Bewohner, so auch scheinbar der Gepard, spürten auch die ‘geistige’ Präsenz meines Klienten, doch niemand schien etwas dagegen zu haben, dass seine Seele immer noch in den Palastmauern verweilte.
So verging die Zeit. Neue Schüler kamen und gingen. Mein Klient erzählte, dass einer der jungen Schüler an einer seltsamen Krankheit litt. Er sei ganz blass und anämisch, doch keiner der heiligen Männer wusste sich einen Rat. Bei all ihrem Wissen, auch hinsichtlich der Genes- und Kräuterkunde — gegen diese Art Krankheit war scheinbar noch kein Kraut gewachsen! Und so geschah es, dass dieser Junge eines Tages starb und die Seele meines Klienten war dabei und beobachtete, wie die Seele des Jungen den toten Körper verließ. Daraufhin war die Seele des Jungen zur Seele meines Klienten herüber geschwebt und hatte gesagt, dass es Zeit würde endlich nach Hause zurückzukehren. Mein Klient begriff zuerst nicht und erwiderte, er sei bereits zu Hause. Daraufhin hatte die Seele dieses Jungen erklärt, dass sie beide zusammen nun ins Licht gehen müssten und dass er auch nur deshalb geboren worden wäre. Seine Aufgabe hier auf der Erde hätte lediglich darin bestanden, hierher zu kommen und zu sterben, um dann gemeinsam mit der Seele meines Klienten in die geistige Welt zurückzukehren.
Erst da begriff mein Klient, wie viel Zeit mittlerweile, seit seinem eigenen Tod, schon vergangen war und wie viele Jahrzehnte er wohl schon als Geist innerhalb dieses Palastes verbracht haben musste! Mein Klient erschrak ein wenig, hatte er doch jegliches Zeitgefühl verloren. (Bei der Reise in die geistige Welt kann ich, nachdem ein Klient von seinem physischen Tod aus einem früheren Leben berichtet, nicht hingehen und ihm unterstellen, dass seine Seele sofort nach dem Tod in die geistige Welt zurückkehrte. Scheinbar ist dem nämlich nicht immer so und dies zu unterstellen, wäre dann genauso oberflächlich und unprofessionell, als wenn ich einem Klienten bei der Rückkehr in ein früheres Leben unterstellen würde, dass er dort Schuhe trägt!)
Zusammen mit der Seele dieses Jungen machte sich die Seele meines Klienten schließlich auf den Weg durchs Licht in die geistige Welt, wo ihn die Seele des Jungen wieder verließ. Er hatte seine Aufgabe erfüllt. Stattdessen wartete dort nun die Seele des alten Mannes aus Petra, mit dessen Begegnung für den kleinen Jungen, der mein Klient einst gewesen war, alles seinen Lauf genommen hatte. Mein Klient weinte nun ein wenig und sagte, der alte Mann sähe nun aus wie ein Engel, trotzdem können er in den Gesichtszügen immer noch das Antlitz des alten Mannes aus Petra erkennen. Ich sagte ihm, dass der alte Mann wohl gekommen sei, ihn in der geistigen Welt zu begrüßen und mein Klient sollte schauen, ob der alte Mann ihm etwas sagen wolle. In der Tat. Und so stellte sich heraus, dass der alte Mann auch der spirituelle Führer und Schutzengel meines Klienten war. Ich bin bei solchen Aussagen immer ein wenig vorsichtig, ohne etwas zu unterstellen, aber ich hake bei solchen Situationen immer nochmal nach, da es scheinbar wirklich nur sehr selten vorkommt, dass ein spiritueller Führer zusammen mit seinem Schutzbefohlenen inkarniert. Aber der spirituelle Führer meines Klienten berichtete, dass der alte Mann in Wirklichkeit schon gestorben war, als er sich noch auf dem Weg nach Petra befunden habe. Er sei sehr alt und weise gewesen und seine Seele hatte beschlossen, es sei an der Zeit heimzukehren. Das Herz seines Körpers sei schon sehr schwach gewesen und habe regelmäßig Aussetzer gehabt. Während einer dieser Aussetzer, war die Seele des alten Mannes aus dem Körper entwichen und in die geistige Welt zurückgekehrt. Der spirituelle Führer meines Klienten hatte den Körper des alten Mannes im selben Moment übernommen, war mit der letzten Lebensenergie dieses alten Körpers nach Petra gereist und hatte dort Kontakt zu seinem Schützling — meinem Klienten, aufgenommen, um ihn so auf den richtigen Pfad zu lenken. Danach hatte er den Körper des alten Mannes wieder verlassen und dieser war dann tatsächlich gestorben. (Man nennt so etwas auch einen Walk-in).
Zugegeben, bin ich bei solchen Erzählungen immer ein wenig skeptisch. Aber so wie es mein Klient schilderte, hatte ich keinen Grund skeptisch zu sein und auch vom Gefühl her, fühlten sich seine Aussagen wahr an. Mein Klient konnte hervorragen visualisieren und beschrieb die geistige Welt genauso ausführlich, wie er schon zuvor sein früheres Leben geschildert hatte. Er sprach von einer Strömung die aussah wie Dampf (auf Englisch benutze er die Wörter Stream und Vapor, die irgendwie besser passten, als die deutsche Übersetzung) und die ihn sanft mitriss und so von einem Ort zum nächsten transportierte. Er erfuhr sehr viel über den Charakter und die ganz speziellen Eigenschaften seiner Seele und dem was seine Seele begehrte; welche Ziele sie hatte und was sie sich für ihre momentane Inkarnation vorgenommen hatte — und in wie weit die Wünsche und Ziele der Seele mit den Wünschen und Zielen seines menschlichen Verstandes übereinstimmten! (Dies finde ich, ist immer ein ganz besonders wichtiger Aspekt bei jeder Rückführung. Sind Körper und Seele nämlich nicht im Einklang, weil jeder etwas anderes will, so äußert sich dies immer in psychischen oder psychosomatischen Symptomen).
In der geistigen Welt verrichtete die Seele meines Klienten beispielsweise auch Arbeiten in einer Bibliothek. Mein Klient berichtete, dass alles Leben und alles Erlebte in dieser Bibliothek aufbewahrt und katalogisiert wurde — und zwar sowohl in geistiger, wie auch in feinstofflicher Art. Ich hatte schon oft von dieser Bibliothek in der geistigen Welt gehört und dies war auch nicht der erste Klient, der von ihr berichtete. Trotzdem hakte ich an dieser Stelle nach und bat meinen Klienten, mir die Unterschiede besser zu erläutern. Mein Klient sagte dann, es gäbe Bereiche in dieser Bibliothek, durch die man hindurch schweben könnte. Jeder dieser Bereiche oder Plätze verfüge über eine Erinnerung an etwas, dass gerade geschah oder einmal geschehen war. Ich mutmaßte, dass diese Bereiche dann aber gewaltigen Ausmaßes sein mussten, doch mein Klient erwiderte daraufhin, dass Zeit, sowie Raum, relativ seien. Um dies allerdings wirklich begreifen zu können, müsste die Seele den dreidimensionalen Raum verlassen, da dieser ihre mentalen Fähigkeiten einschränken würde. Was wiederum so viel bedeutete, als dass sich die Seele im nichtinkarnierten Zustand oder zumindest außerhalb ihres körperlichen Wirtes befinden müsste, da der Wirt die Seele an die Dreidimensionalität bände.
Ich bin gewohnt, dass meine Klienten manchmal Dinge aus der geistigen Welt berichten, die wirklich nur sehr, sehr schwer nachzuvollziehen sind. Aber da ich selbst schon während meinen eigenen Rückführungen nach dieser Methode, in die geistige Welt gereist war, konnte ich vieles von dem, was meine Klienten darüber berichteten, trotzdem irgendwie nachempfinden. Deshalb fragte ich meinen Klienten auch, ob ich mir diese einzelnen Bereiche, wo diese Erinnerungen aufbewahrt wurden, wie morphogenetische Felder vorstellen könnte und da schnippte er mit den Fingern und sagte: >Exakt!<
Dann befragte ich ihn noch zu den Erinnerungen, die in feinstofflicher Art aufbewahrt wurden und er lachte.
>Viele Seelen hier oben sind sehr an die Planeten oder Welten auf denen sie regelmäßig inkarnieren gebunden<, sagte er dann und ich nickte, obwohl mein Klient das gar nicht sehen konnte. Erstens hatte er die Augen geschlossen und zweites lag ein Tuch darüber. Aber ich wusste, was mein Klient damit meinte: Ich selbst bin nämlich eine sehr erdgebundene Seele und inkarniere scheinbar sehr gerne und noch lieber auf der Erde. Jedenfalls sagte mein Klient, dass jeder Bereich oder Ort in der geistigen Welt unendliche viele Male existieren würde — je nachdem, wie die Seelen, die diese Bereiche oder Orte besuchten, diese erleben wollten. Seelen die gerne inkarnierten und einen bestimmten Planten bevorzugten, mochten es, wenn die Orte in der geistigen Welt sie an Orte auf ihrem Lieblingsplaneten erinnerten — also empfanden sie diese Orte in ihrer Vorstellung den Orten nach, die sie auf ihrem Lieblingsplaneten bevorzugten. Dabei vermissten sie in der Regel auch die feste Materie und versuchten auch diese in ihren Vorstellungen nachzuahmen — was in der geistigen Welt aber nur bedingt möglich war. Heraus kam eine feinstoffliche Variante von fester Materie, vergleichbar mit einem sehr kompakten Nebel. Ich begriff, was mein Klient mir sagen wollte und nickte wieder.
In der Zeit, in der die Seele meines Klienten nicht inkarnierte, verbrachte sie sehr viel Zeit in der feinstofflichen Variante der Bibliothek und studierte die Erinnerungsberichte. Dabei sah seine Version dieser Bibliothek aus, wie die Bibliothek des Vatikans in Rom und er erzählte, dass es in der Bibliothek der geistigen Welt auch Kopien der Schrifttafeln aus dem Paradies gäbe. Ich wusste, er meinte damit den Palast der heiligen Männer. Er sagte, viele der Aufzeichnungen seinen auf solche Tafeln geschrieben worden. Andere wiederum auf Papyrus oder Leder, aber die meisten Berichte seinen tatsächlich in ganz normalen Büchern niedergeschrieben worden. Aber mein Klient betonte auch noch einmal, dass dies seine Vorstellung der Bibliothek in der geistigen Welt sei und fügte an, dass sein heutiger Bruder, der einige Jahre jünger als er gewesen war und bei einem Motorradunfall starb, diese Bibliothek als einen einzigen Raum wahrnähme, in dem sich lediglich ein riesiger PC befände. Da sein Bruder ebenfalls zur Seelenfamilie meines Klienten gehörte, konnte er dazu eine Aussage machen, weil er und die Seele seines Bruder sich zu einem Gespräch in eben dieser Bibliothek trafen.
Das vorrangige Ziel der Seele meines Klienten war es, Wissen aufzunehmen und weiterzugeben. Nicht nur auf der Erde als Mensch, sondern auch in der geistigen Welt, wo er ebenfalls mit der Betreuung von noch ganz jungen Seelen beauftragt war und diese unterrichtete. Diese Aufgabe teilte er sich zusammen mit seiner Seelenfamilie, die sich allerdings in einer Art Neu- oder Umstrukturierung befand, was meinen Klienten ein wenig traurig stimmte. Für seine aktuelle Inkarnation hatte es sich die Seele meines Klienten jedenfalls wieder zur Aufgabe gemacht, ihr immenses Wissen weiterzugeben und dafür zu sorgen, dass die Menschen in der Dritten Welt wissend wurden, wozu auch gehörte, dass sie eine Möglichkeit erhielten, lesen und schreiben zu lernen.
Nach dieser Rückführung war mein Klient lange Zeit sehr still. Ohne viele Worte verließ er dann mein Haus, versprach aber sich zu melden. Ich kenne das und es ist fast normal, dass meine Klienten nach so einer Rückführung erstmal ihre Gedanken sortieren wollen und dafür lieber alleine sind. Außerdem ist so eine Rückführung auch sehr anstrengend. Trotzdem muss ich immer noch allen Klienten das Versprechen abnehmen, sich nochmals zu melden. Ich brauche das für meinen eigenen Seelenfrieden. Auch dieser Klient meldete sich nochmal; einen Tag bevor er im Auftrag einer Hilfsorganisation nach Afrika flog. Er hatte erkannt, dass seine Zeit als Priester nur Mittel zum Zweck gewesen waren. Sein eigentliches Ziel war nie gewesen den katholischen Glauben zu verbreiten oder gar Priester zu werden, sondern allgemeines Wissen zu vermitteln — ohne dabei den Menschen vorzuschreiben, wie sie zu denken hatten oder was sie glauben sollten! Irgendwie hatte er dies auch immer gespürt, ohne es jedoch jemals richtig begriffen zu haben. Bis jetzt. Nun wusste er, dass es die richtige Entscheidung für ihn gewesen war, sein Priesteramt niederzulegen und er wusste auch warum. Die letzten Jahre hatte er diese Entscheidung immer wieder hinausgezögert und dadurch war es im seelisch immer schlechter gegangen, weil das was er tat nicht der Begierde seiner Seele entsprach. (Ich verwende hier bewusst das Wort Begierde, da mein Klient in diesem Zusammenhang immer wieder die Wörter desire und covetousness gebrauchte — welche auch für eine gewisse Art von Lust stehen). Was seine Seele begehrte, war nicht Ungläubige (im Sinne der Kirche) zu bekehren oder eine Religion zu predigen und zu verbreiten, sondern allgemeines Wissen zu lehren und zu verbreiten, dass so vielfältig war, dass es durch die eingeschränkte Sichtweise der Kirche untergraben wurde.
Harte Worte aus dem Munde eines ehemaligen Priesters, wie ich fand — aber ich muss zugeben, dass ich ähnlich dachte. Mein Klient war froh, nun eine Anstellung gefunden zu haben, die ganz seinen Wünschen und Vorstellungen entsprach und konnte gar nicht mehr begreifen, dass er immer solche Bedenken gehabt hatte, auf dem freien Markt eine Anstellung als Lehrer und Entwicklungshelfer zu finden. Mein Klient wusste natürlich auch, dass ich den Inhalt seiner Rückführungen nicht nur als Fallstudie für meine Aufnahme als Mitglied bei diesem Institute einreichen würde, sondern diese gegebenenfalls auch selbst in schriftlicher Form veröffentlichen wollte und er wünschte mir viel Glück für meine Zukunft und für die Bewerbung bei diesem Institute. Wie sagt man so schön? Oft kommt es anders und meistens als man denkt…
Hiermit endet diese lange Leseprobe. Das Buch enthält insgesamt 12 Fallstudien und 14 Übungen, um das eigene Bauchgefühl zu trainieren. Erhältlich ist es unter anderem bei amazon oder direkt über mich – natürlich gerne auch signiert:
Mehr Info & Bestellmöglichkeiten
Bildmaterial:
Titelfoto: Copyright by Kristine Weitzels
Post (Blog) Fotos: Fotolia_1729972_M